Der 20. Juli: Galen und Leisner

von Dr. Christof M. Beckmann

Mittwoch, 20.07.2016

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Vor 75 Jahren hielt Münsters Bischof Clemens August von Galen seine berühmten Predigten, die jetzt im Billerbecker Dom vorgetragen werden. An ein prominentes Opfer der Nazis erinnert der Dom in Xanten – Karl Leisner, vor genau 20 Jahren seliggesprochen.

INFO: Es war ein verzweifelter Versuch – nicht der einzige, aber wohl der bekannteste: Das Attentat, auf Hitler 1944, am 20. Juli, heute vor 72 Jahren. Der selbsternannte „Führer“ überlebte, doch er rächte sich furchtbar an allen, die daran beteiligt waren – aber auch an unzähligen anderen im ganzen Land. Eine Region bei uns im Land war aus bestimmten Gründen unter besonderer Beobachtung, wie aus Quellen, u.a. auch den Tagebüchern von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, hervorgeht: Im weitgehend katholischen Münsterland wagte Clemens August Graf von Galen, seit 1933 Bischof von Münster, öffentlich gegen das Regime der Nationalsozialisten aufzutreten. Seit seinem Amtsantritt hatte von Galen keinen Zweifel an seiner Kritik an den NS-Machthabern gelassen – er brandmarkte die rassistische Ideologie und die totalitäre Herrschaft der Nazis. 1936 hielt er am Grab der im dritten Jahrhundert hingerichteten römischen Märtyrer Viktor und Gefährten im Viktors-Dom zu Xanten eine seiner berühmtesten Reden: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen", lautete seine Kampfansage an die Nationalsozialisten. Mehr: http://www.xantener-dombauverein.de/index.php/dombauverein/presse

Vor 75 Jahren, im Juli/August 1941, hielt er von der Kanzel der Münsteraner Lambertikirche und in der Überwasserkirche seine berühmt gewordenen drei Predigten gegen den Terror der Nationalsozialisten und der Gestapo, gegen Ungerechtigkeit und Euthanasie, die lauten Beifall und Zustimmung auslösten. Sie wurden unzählige Male abgeschrieben, kopiert und unter Lebensgefahr selbst bis an die Fronten vom Nordkap bis Sizilien, vom Atlantik bis an die Ostfront heimlich verteilt. Er war einer der wenigen, die in dieser Weise öffentliche Kritik wagten und seine Standhaftigkeit wurde weltweit anerkannt. Am 21. Februar 1946 erhob ihn Papst Pius XII. in Rom zum Kardinal, einen Monat nach seiner triumphalen Rückkehr starb von Galen am 22. März 1946. 2005 wurde er seliggesprochen.

Im Billerbecker Dom werden diese Predigten jetzt an den jeweiligen Jahrestagen (12.7, 20.7. und 3.8.) vorgetragen. Gelesen werden sie von Propst Hans-Bernd Serries sowie den Weihbischöfen Dr. Christoph Hegge und Dr. Stefan Zekorn. Die Predigtreihe startete am Mittwoch, 13. Juli, mit Weihbischof Dr. Christoph Hegge. Er las „Die Gerechtigkeit ist das Fundament der Staaten!“. Heute, Mittwoch, 20. Juli, trägt Propst Hans-Bernd Serries die Predigt „Wir sind nicht Hammer, sondern Amboss“ vor. Die dritte Predigt „Du sollst nicht töten!“ liest am Mittwoch, 3. August, Weihbischof Dr. Stefan Zekorn. Beginn ist jeweils um 19 Uhr im Billerbecker Dom.

Karl Leisner – vor 20 Jahren seliggesprochen

Wie viele war auch Karl Leisner vom Beispiel des Bischofs von Münster inspiriert: Am 28. Februar 1915 in Rees am Niederrhein geboren und aufgewachsen in Kle­ve, trat er als Gymnasiast der katholischen Jugendbe­we­gung bei. Der begeisterte Jugendleiter machte 1934 Abitur und studierte zunächst in Münster, um Prie­ster zu werden. Als ihn der Bischof von Münster mit dem Amt des Diözesanjung­scharführers betraute, kam er ins Fadenkreuz der Gestapo.

Seine Außensemester absolvierte Leisner 1936/37 in Freiburg, anschließend den Pflicht­arbeitsdienst. 1939 wurde er zum Diakon ge­weiht. Kurz vor seiner Priesterweihe zwang ihn eine schwere Lungentuberkulose zur Ausheilung in ein Sanatorium in St. Blasien/Schwarzwald. Eine Äu­ßerung zum Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler am 8. November 1939 führte dort am 9. November 1939 zur Ver­haftung. Über Gefängnisse in Freiburg und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen kam er im Dezember 1940 ins KZ Dachau, wo er ab 1942 im Krankenrevier mit bis zu 150 Lungen­kranken zusammengepfercht war. Im dortigen „Pfarrerblock“ waren mehr als 2.700 überwiegend katholische Geistliche aus vielen Nationen inhaftiert, von denen über 1000 starben.

Als im September 1944 der französische Bischof Gabriel Piguet von Clermont ins KZ Dachau eingewiesen wurde, gab es zahlreiche heimliche Vorbereitungen für Leisners bislang nicht mögliche Priesterweihe. Unter Gefahr für alle Beteiligten weihte Bischof Piguet am 17. Dezember 1944 den schwer­kranken Dia­kon im Block 26 zum Priester, seine erste und einzige heilige Messe feierte der Neu­priester am Stepha­nustag, dem 26. Dezember 1944. Am 4. Mai 1945 wurde er aus dem KZ befreit und verbrachte die letzten Wochen seines Lebens im Lungensanatorium Planegg bei München. Er starb am 12. August 1945 und sein Grab befindet sich in der Krypta des Xantener Domes.

Am 15. März 1980 genehmigte Papst Johannes Paul II. die Eröffnung des Selig­spre­chungsprozesses, am 23. Juni 1996 sprach er Karl Leisner im Olympiastadion in Berlin selig und erklärte: „Sein Glaubensmut und seine Begeisterung für Christus sollen vor allem den jungen Menschen, die in einem weithin von Unglauben und Gleichgültigkeit geprägten Umfeld leben, Anstoß und Vorbild sein.“ 2007 wurde in der Diözese Münster für Karl Leisner der Heiligsprechungs­prozess eingeleitet.

Die zum 100. Geburtstag von Karl Leisner erschien im Februar 2015 eine Sonderbriefmarke in einer Auflage von vier Millionen Exemplaren. Das Bild zeigt Karl Leisner kurz vor seiner Priesterweihe im KZ Dachau mit dem letzten Satz aus seinem Tagebuch „Segne auch, Höchster, meine Feinde!“ Am 27. Februar 2015 hatte der Film „Karl Leisner - Christ aus Leidenschaft” Premiere im Münchener Kardinal Wendel-Haus (Katholische Akademie). Beteiligt an der Produktion von Max Kronawitter (Ikarus-Filmproduktion) waren u.a,. Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel vom Internationalen Karl Leisner-Kreis (IKLK). Internet: http://www.ikarus-film.de/

Buchhinweis: Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel (Hg.), im Auftrag des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK) unter besonderer Mitarbeit von Christa Bockholt, Hans Harro Bühler und Hermann Gebert: Karl Leisner – Tagebücher und Briefe, Eine Lebens-Chronik, 5 Bde., 4.368 Seiten, 5 Bänder im Schuber, Kevelaer 2014, ISBN 978-3-7666-1881-8, 139,00 €. Vorbestellung: www.chrisbuch.de

Weitere Infos zu Karl Leisner: http://www.karl-leisner.de/ - umfangreiche Informationen auf der Website des Internationalen Karls-Leisner-Kreises e.V.).

http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/L/Seiten/KarlMariaLeisner.aspx

http://www.schoenstatt.de/de/news/3222/112/Karl-Leisner-wurde-vor-20-Jahren-von-Johannes-Paul-II-selig-gesprochen.htm

Karl Leisner in Xanten

In der Krypta des Xantener Domes entstand vor 50 Jahren mit der Erweiterung 1966 eine Mahn- und Sühnestätte für die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes. Hier ruhen neben Urnen mit Asche aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Bergen-Belsen und Dachau die sterblichen Überreste des seligen Karl Leisner, von Heinz Bello und Gerhard Storm – alle drei Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind. Darüber hinaus befindet sich seit 2006 auch eine Reliquie des seligen Kardinals Clemens August Graf von Galen in der Krypta unter der Altarinsel. Mehr: www.xantener-dombauverein.de. Virtueller Rundgang im und um den Dom: http://www.sankt-viktor-xanten.de/wallfahrer-gaeste/st-viktor-dom/

Unser Gesprächspartner: Klaus Wittke, Propst an St. Viktor in Xanten am Niederrhein, in Rheinberg am Niederrhein aufgewachsen, absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann, studierte dann in Münster und München katholische Theologie und wurde 1989 in Münster zum Priester geweiht. Seelsorgliche Stationen waren Kleve und Borken, bevor er Pfarrer von St. Urbanus in Winnekendonk wurde. Seit Oktober 2011 ist Klaus Wittke Propst in Xanten. Kontakt: Propst Klaus Wittke, Kapitel 9, 46509 Xanten, Tel. 02801 / 7131-0, E-Mail: wittke-k@bistum-muenster.de, Internet: http://www.sankt-viktor-xanten.de/

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