Die Weiße Rose und Willi Graf

von Christof Beckmann

Samstag, 17.02.2018

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Bild: Willi Graf, Montage: KiP-NRW

Morgen vor 75 Jahren wurden die Mitglieder der Weißen Rose verhaftet. Unter ihnen der junge Willi Graf, ehemals Bonner Medizinstudent, Widerstandskämpfer und gläubiger Katholik. Derzeit prüft das Erzbistum München ein Seligsprechungsverfahren. ...

INFO: 2018 wird ein besonderes Jahr für das Gedenken an den Widerstand in der Nazizeit. Vor 75 Jahren kam es zu den Prozessen gegen die Mitglieder der Weißen Rose. Sie wurden am 18. Februar 1943 verhaftet, dem Tag, als begeisterte Nazis dem NS-Propagandaminister Joseph Goebbels bei seiner berüchtigten Berliner Sportpalastrede („Wollt ihr den totalen Krieg...?“) zujubelten. Hans und Sophie Scholl wurden damals beim Auslegen von Flugblättern an der Münchner Universität von deren Hausmeister Jakob Schmid überrascht und bei der Gestapo denunziert. Die Münchner Widerstandsgruppe hatte sich ab Sommer 1942 mit sechs Flugblättern offen gegen die NS-Diktatur gestellt und zur sofortigen Beendigung des Krieges aufgerufen. Bereits am 22. Februar 1943 wurden die Geschwister Scholl vom Volksgerichtshof unter der Leitung von Roland Freisler zum Tod verurteilt und noch am selben Tage im Gefängnis München-Stadelheim mit der Guillotine enthauptet. Ihr Grab befindet sich auf dem dortigen Friedhof am Perlacher Forst (Grab Nr. 73-1-18/19). Den inneren Kreis der Weißen Rose bildeten die beiden Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf und Universitätsprofessor Kurt Huber. In sechs Flugblättern hatten sie ihre Kritik und ihren Aufruf zum passiven Widerstand gegen Hitler und das nationalsozialistische Regime in der Öffentlichkeit verteilt. Die Geschichte dieses Widerstands schildert die bpb in einem ausführlichen Dossier unter: http://www.bpb.de/geschich…/nationalsozialismus/weisse-rose/

Willi Graf: Der gläubige Katholik, geboren am 2. Januar 1918 in Euskirchen-Kuchenheim, war Mitglied der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Ab 1922 wuchs Graf mit Eltern und Schwester in Saarbrücken auf. Dort besuchte der Messdiener in der Basilika St. Johann nach der Volksschule das Ludwigsgymnasium und war aktiv im Bund Neudeutschland (ND). Der katholische Verband für Jungen höherer Schulen wurde nach der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten verboten. Graf schloss sich darum 1934 dem Grauen Orden an, einem illegalen Kreis südwestdeutscher Bündischer und nahm an verbotenen Fahrten und Lagern teil. Er machte nach dem Abitur 1937 von April bis Oktober 1937 seinen Reichsarbeitsdienst, nahm in Bonn das Medizinstudium auf und wurde 1938 mit anderen Mitgliedern des Grauen Ordens inhaftiert, wegen bündischer Umtriebe angeklagt und saß bis 22. Januar bis 5. Februar in Untersuchungshaft in einem Bonner Gefängnis. Nach dem Physikum an der Universität Bonn setzte er 1939 das Studium in München fort und kam ab 1940 als Sanitätsunteroffizier an der französischen Kanalküste, in Belgien und in Frankreich zum Einsatz. 1941 wurde er an die Ostfront verlegt, dann nach Serbien, Polen und an die russische Front. 1942 wurde er beurlaubt, kam in München als Mitglied der 2. Studentenkompanie der Mediziner mit dem Freundeskreis um Hans Scholl und Alexander Schmorell in Kontakt und wurde aktives Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Mitte Januar 1943 nahm er an den Beratungen über die Formulierung und Verteilung des 5. Flugblattes teil, reiste nach Köln, Bonn, Saarbrücken, Freiburg und Ulm, um Mitverschworene zu gewinnen, verteilte das Flugblatt in München, schrieb im Februar antinazistische Freiheitsparolen an Gebäude der Münchner Innenstadt und war an der Vervielfältigung und Verteilung des 6. Flugblattes beteiligt. Am 18. Februar 1943 wurde Willi Graf zusammen mit seiner Schwester Anneliese in München festgenommen – 12 Stunden nach der Festnahme der Geschwister Scholl. Alle Verschwörer wurden im selben Jahr verurteilt und unter dem Fallbeil in München-Stadelheim hingerichtet: Die Geschwister Scholl und Christoph Probst (22. Februar), Alexander Schmorell und Professor Kurt Huber (13. Juli) und Willi Graf (12. Oktober). Er war am 19. April 1943 wegen Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung vom Volksgerichtshof unter Vorsitz Roland Freislers zum Tode verurteilt worden und wurde auf dem Friedhof am Perlacher Forst bestattet. Am 4. November 1946 wurden seine auf Wunsch seiner Familie exhumierten sterblichen Überreste in Saarbrücken auf dem Alten Friedhof St. Johann in einem Ehrengrab beigesetzt.

Mehrere Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt (München, Berlin-Lichterfelde, Euskirchen, Willich, Saarbrücken, Kuchenheim, Bonn, Koblenz-Neuendorf, St. Ingbert, Münster), 2003 wurde er an seinem 60. Todestag posthum mit der Ehrenbürgerwürde von Saarbrücken ausgezeichnet. Die katholische Kirche hat Willi Graf als Glaubenszeugen in das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Am 27. Dezember 2017 wurde bekannt, dass das Erzbistum München und Freising die Möglichkeit eines Seligsprechungsverfahrens für Willi Graf in Betracht zieht. Dazu wird eine Voruntersuchung eröffnet, in der sich unter Leitung eines ernannten Postulators Theologen und Historiker mit dem Leben und den Schriften Grafs befassen. Sie prüfen die Schriften von Willi Graf, Gutachter aus den Archiv- und Geschichtswissenschaften machen unveröffentlichte Schriften und Schriften aus seinem Umfeld ausfindig. Nach Abschluss der Voruntersuchung kann ein Seligsprechungsverfahren eröffnet werden.

Buchhinweis: Peter Goergen, Willi Graf - Ein Weg in den Widerstand. Röhrig-Verlag, St. Ingbert 2009. ISBN 978-3-86110-458-2.

Weiße Rose Stiftung e.V.: Die Weiße Rose Stiftung e.V. wurde im Jahr 1987 von Überlebenden, Familienangehörigen und Freunden der Widerstandsgruppe gegründet. Sie will die Erinnerung an den Widerstand gegen die NS-Diktatur wachhalten und Zivilcourage, individuelle Verantwortung sowie demokratisches Bewusstsein fördern. Schwerpunkte sind Ausstellungen, historisch-pädagogische Projekte mit Schulen und Veranstaltungen.
Kontakt: Weiße Rose Stiftung e.V., Dr. Hildegard Kronawitter, 1. Vorsitzende, ehrenamtliche Geschäftsführung, Ludwig-Maximilians-Universität, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München, Tel. 089 / 2180-5678 und 089 / 2180-5359, Fax 089 / 2180-5346, E-Mail: info@weisse-rose-stiftung.de, Facebook: www.facebook.com/WeisseRoseStiftung, Internet: www.weisse-rose-stiftung.de.

Die Dauerausstellung „Die Weiße Rose. Widerstand gegen die NS-Diktatur" kann Mo-Fr von 10-17 Uhr und Sa 11.30-16.30 Uhr besichtigt werden. Anmeldung: info@weisse-rose-stiftung.de, Faltblatt zur neuen Dauerausstellung (PDF) Das 75. Gedenkjahr für eine der bedeutendsten deutschen Widerstandsgruppen gegen die NS-Diktatur würdigt die Weiße Rose Stiftung e.V. mit zahlreichen Veranstaltungen.

Wanderausstellung: Die seit Anfang der 1990er Jahre in mehreren Sprachen verliehene Wanderausstellung wurde von Grafikdesigner Otl Aicher gestaltet, Texte schrieben Zeitzeugen und Familienangehörige der Weißen Rose. 47 Text- und Bildtafeln beschreiben die Entstehungsgeschichte der Weißen Rose, ihre Widerstandsaktionen, die Verbindungen zu anderen Oppositionellen und ihre Zerschlagung durch die NS-Justiz. Die Wanderausstellung kann in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch, Lettisch und Litauisch ausgeliehen werden. Informationen unter www.weisse-rose-stiftung.de unter „Wanderausstellungen“.

Biografische Einzelausstellungen: Die Einzelausstellungen zu Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf, Christoph Probst, Kurt Huber, Traute Lafrenz, Hans Leipelt und zur Berliner Widerstandsgruppe Onkel Emil umfas­sen jeweils sieben Tafeln. Der Schwerpunkt liegt auf dem jeweiligen biografischen Hintergrund, auf der persönlichen Motivation und Beteiligung an den Widerstandsaktionen sowie auf der individuell erlittenen Verfolgung in der NS-­Zeit.

Einzelausstellung Willi Graf und die Weiße Rose: Die in Zusammenarbeit mit Dr. h.c. Anneliese Knoop-Graf und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit entstandene Ausstellung beleuchtet biographische Wendepunkte im Leben von Willi Graf, die seine Entscheidung zum Widerstand beeinflussten. Im Mittelpunkt stehen Auszüge aus seinen Briefen und Tagebüchern, Erinnerungen von Freunden und Vertrauten und die Zeit der Untersuchungshaft im Gefängnis München-Stadelheim. -> Flyer zur Ausstellung

Bund Neudeutschland (ND): Der 1919 auf Anregung des Kölner Erzbischofs Kardinal Felix von Hartmann  durch Jesuiten gegründete Bund Neudeutschland (ND) gab sich 1923 auf Schloss Hirschberg im Altmühltal das sogenannte Hirschberg-Programm. Unter dem Leitsatz „Neue Lebensgestaltung in Christus“ schlossen sich 21.000 Jungen aus Oberschulen und Gymnasien an, Mädchen gingen in den Heliand-Bund. Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend (HJ) waren damit programmiert, wie zahlreiche Verbote und Schikanen bis zur Auflösung durch die Gestapo 1939 belegen. Der nach 1945 wiedererstandene Bund ist die Wurzel der heutigen Katholischen Studierenden Jugend – Schülergemeinschaft im Bund Neudeutschland (KSJ) und des ND (bis April 2016 Gemeinschaft Katholischer Männer und Frauen / ND-KMF). Kontakt: ND-KMF e.V., Gabelsbergerstraße 19, 50674 Köln, Tel. 0221 / 177 363 40, Fax 0221 / 177 363 44, E-Mail: info@nd-netz.de, Internet: https://www.nd-netz.de.

Samstag, 17.02.2018