Wählen: Für das Allgemeinwohl

von Stefan Klinkhammer

Dienstag, 09.05.2017

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Zum Europatag weht heute die Europafahne an allen öffentlichen Gebäuden. Der Gedenktag an den Aufruf von Robert Schuman von 1950 und seine Botschaft: Jede große Idee braucht eine gehörige Portion Realismus, wenn es um das Allgemeinwohl geht. ...

INFO: „Setzen Sie sich ein für eine gerechte und solidarische Gesellschaft!” Mit einem nachdrücklichen Appell an Politikerinnen und Politiker aus allen Landtagsparteien hat die Caritas in NRW Anfang April in Haus Müngsten an der Wupper mehr Anstrengungen gegen Armut und Ausgrenzung gefordert. Eine solche Politik sei die beste und zuverlässigste Basis für gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit für ein offenes, plurales und demokratisches NRW, sagte der Sprecher der Diözesan-Caritasdirektoren Heinz-Josef Kessmann bei einer Caritas-Veranstaltung zur Landtagswahl und appellierte an die zahlreich anwesenden Abgeordneten und Kandidaten: „Orientieren Sie Ihre Politik im Wahlkampf und natürlich auch danach an diesen grundlegenden Werten eines sozialen NRW.”
In mehreren Talks und Diskussionen diskutierten Caritas-Experten mit Landtags-Kandidaten und forderten einen langfristig geförderten sozialen Arbeitsmarkt, damit auch die rund 300.000 Langzeitarbeitslosen wieder eine Chance auf „gute Arbeit” erhalten. Große Sorgen macht der Caritas zudem, dass derzeit rund 25.000 Ausbildungsplätze fehlen. Hier sei eine signifikante Erhöhung der Ausbildungsanstrengungen notwendig. Das Land sollte die Einführung einer Ausbildungsabgabe prüfen.
Das Thema Bildung nahm unter verschiedenen Aspekten breiten Raum ein: Dass rund 1,5 Mio. Menschen in NRW kaum lesen und nur schlecht schreiben können, verringert die Chancen auf einen Arbeitsplatz erheblich und erhöht das Armutsrisiko. Um diesen „funktionalen Analphabetismus” wirkungsvoll zu bekämpfen, brauche es passgenaue Lernangebote, so die Caritas. Gerade für junge Flüchtlinge müsse die schulische Bildung verlängert und die berufliche Bildung verbessert werden.
Als großer Träger von Kindertageseinrichtungen, Altenheimen und Einrichtungen des Offenen Ganztags drängt die Caritas seit längerer Zeit auf eine angemessene Re-Finanzierung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. So müsse es bei den Kibiz-Pauschalen dringend eine Verbesserung geben, zudem Rechtssicherheit bei den Investitionskosten der Altenheime und landesweite Standards sowie eine bessere finanzielle Ausstattung im Offenen Ganztag.

Aufruf der NRW-Bischöfe und der Katholischen Laiengremien zur Landtagswahl am 14. Mai: Die fünf katholischen Bischöfe und die Spitzengremien der katholischen Laien in Nordrhein-Westfalen rufen zur Teilnahme an der Landtagswahl am 14. Mai auf. „Wer seine Stimme nicht abgibt, gibt sie denen, die sich gegen die Grundsätze unserer Demokratie stellen“, heißt es im Wahlaufruf, den die Diözesankomitees der Katholiken aus den Bistümern Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn veröffentlichten. Alle Christen sollten die Demokratie stärken, indem sie andere Menschen zum Urnengang ermutigten. Auch die Bischöfe Helmut Dieser (Aachen), Franz-Josef Overbeck (Essen), Kardinal Rainer Maria Woelki (Köln), Felix Genn (Münster) und Hans-Josef Becker (Paderborn) betonen, eine parlamentarische Demokratie könne sich erst durch die Beteiligung aller wirklich entfalten. Daher sei es „eine besondere Verpflichtung“, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Zugleich wenden sich die Bischöfe gegen „Populismus und Fremdenfeindlichkeit“. Mehr und der Wortlaut der Aufrufe s. unsere Informationen zum „Augenblick mal-Beitrag“ am Montag, 8. Mai.

Katholische Initiativen zum Wahljahr 2017: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sammelt Wahlaufrufe von katholischen Verbände, Organisationen, Diözesanräten und Diözesen auf ihrer Leitseite zdk.de. Die Plattform bietet auf http://www.zdk.de/wahl-2017/ zahlreiches Material und Anregungen zur Stabilisierung und Stärkung der demokratischen Kultur, Stellungnahmen, Veranstaltungen und Initiativen, um eine differenzierte Auseinandersetzung mit politischen Sachfragen zu führen. Da die Seite bis zur Bundestagswahl fortlaufend von uns aktualisiert wird, bittet das ZdK um Hinweise auf weitere Initiativen und Kampagnen. Vorschläge (Internetlinks und Downloads) an wahl2017@zdk.de.

Europatag der Europäischen Union: Als Europatag werden zwei Tage des Jahres bezeichnet, an denen Europäisches gefeiert wird. Der 5. Mai jedes Jahres erinnert an die Unterzeichnung des Statuts des Europarats am 5. Mai 1949 in London. Seit 1985 ist der 9. Mai in Erinnerung an den Aufruf Robert Schumans 1950 ein europäischer Feiertag. Nach einer Idee von Jean Monnet schlug Frankreichs Außenminister am 9. Mai 1950 die Schaffung einer Produktionsgemeinschaft für Kohle und Stahl als Keimzelle einer europäischen Zusammenarbeit und erste Etappe der europäischen Föderation vor. Dieser Vorschlag wurde als Schuman-Erklärung bekannt und mündete in die Gründung der Montanunion am 18.4.1951, dem Grundstein der heutigen Europäischen Union. 1958 traten die Römischen Verträge in Kraft. Damit gründete sich aus der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft (EWG), aus der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) und aus der Montan-Union die EU mit dem Europäischen Parlament. Zu ihrem ersten Präsidenten wählen die Abgeordneten Robert Schuman, dem der Ehrentitel „Vater Europas“ zuerkannt wurde. 1962 gab sich die Versammlung 1962 den Namen „Europäisches Parlament”.

Robert Schuman: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen“, heißt es in der von Robert Schuman am 9. Mai 1950 in Paris vorgestellten „Historischen Erklärung“. Mit nüchternem Blick sah er eine Entwicklung zu einem föderalen Europa als Prozess in kleinen Schritten: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Schuman, am 29. Juni 1886 in Luxemburg geboren, wuchs in Lothringen auf, das damals zu Deutschland gehörte, besuchte 1896-1903 das Athenäum in Luxemburg, machte Abitur am Kaiserlichen Gymnasium in Metz und begann 1904 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn, das er in München, Berlin und Straßburg fortsetzte. In den Universitätsstädten schloss er sich dem katholischen Studentenverband Unitas an, dem er bis zu seinem Tod verbunden blieb.
In Metz absolvierte er sein Referendariat, wurde 1910 in Berlin „summa cum laude” zum Doktor jur. promoviert, wurde Rechtsanwalt in Metz und übernahm dort 1913 den Vorsitz der Organisation des Deutschen Katholikentages. Im wieder französischen Elsaß-Lothringen nahm Schuman 1919 die französische Staatsangehörigkeit an, ging als Abgeordneter Lothringens in der französischen Nationalversammlung und war zeitweilig Vizepräsident des Abgeordnetenhauses. Verhaftet durch die Gestapo 1941 und inhaftiert in Neustadt an der Weinstraße, konnte er fliehen und hielt sich in einem Kloster versteckt. Nach dem Krieg wurde Robert Schuman erneut Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, Präsident des Finanzausschusses, 1946 Finanzminister und 1947 Ministerpräsident von Frankreich.
Als Außenminister Frankreichs (1948-1952) legte Schuman am 9. Mai 1950 die historische Erklärung für die Neukonstruktion Europas vor. Sie sollte nach einer Idee von Jean Monnet zunächst eine Produktionsgemeinschaft für Kohle und Stahl schaffen, um rüstungsrelevante Güter gemeinsam zu kontrollieren und einer gemeinsamen europäischen Behörde zu unterstellen. Sein Vorschlag sollte über die Montanunion zur politischen Föderation Europas führen. 26 europäischen Staaten unterzeichneten 1953 die von Schuman maßgeblich mitgestaltete Straßburger Konvention für Menschenrechte und bürgerliche Grundfreiheiten. Zwischen 1953 und 1958 warb er bei zahllosen Vortragsreisen für die Idee eines geeinten Europas. 1955 wurde er zum Justizminister berufen und ein Jahr nach der Annahme der Römischen Verträge 1957 zum ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments ernannt. Im selben Jahr wurde er mit dem Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet, 1959 zusammen mit Karl Jaspers mit dem Erasmus-Kulturpreis. Am 4. September 1963 starb Robert Schuman in Scy-Chazelles bei Metz. Sein diözesaner Seligsprechungsprozess im Bistum Metz ist abgeschlossen, die Prüfung und Entscheidung liegt nun in Rom.
Zur Erinnerung an die „Historische Erklärung” vom 9. Mai 1950 beschloss das Mailänder Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs 1985, am 9. Mai jedes Jahres den Europatag der Europäischen Union zu begehen. Als Europatag werden zwei Tage des Jahres bezeichnet: Am 9. Mai jedes Jahres gedenkt man der Schuman-Erklärung, der 5. Mai jedes Jahres erinnert seit 1964 an die Gründung des Europarates.

LINKS: http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/SchumanRobert/, http://www.robert-schuman.com/#, http://europa.eu/european-union/about-eu/history/founding-fathers_de. Zur Schumanerklärung im Wortlaut: http://europa.eu/about-eu/basic-information/symbols/europe-day/schuman-declaration/index_de.htm.

Dienstag, 09.05.2017