Corvey und das Erbe der Antike
Samstag, 18.01.2025

Plakat Ausstellung / Diözesanmuseum / Collage KIP
Sie lockte viele Besucher – und auf den letzten Metern könnten es noch mal mehr werden. Wer jetzt nicht die große Sonderausstellung zum Erbe der Antike im Diözesanmuseum Paderborn besucht, wird für die gezeigten Exponate bald eine Weltreise unternehmen …
INFO: Am 20.09.2024 wurde im Diözesanmuseum Paderborn die große Sonderausstellung Corvey und das Erbe der Antike. Kaiser, Klöster und Kulturtransfer im Mittelalter feierlich eröffne. Bis zum 26. Januar 2025 erzählen dort charismatische Schätze von der Faszination der Antike. Die Schirmherrschaft für die Ausstellung hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernommen. Eine besondere Auszeichnung für Ausstellungskuratorin Dr. Christiane Ruhmann ist „ein besonderes ‘Weihnachtsgeschenk’, das uns die Frankfurter Allgemeine Zeitung gemacht“ hat: Die Redaktion zählt Corvey und das Erbe der Antike ‘als schönste Mittelalterausstellung‘ zu den zehn besten Ausstellungen des Jahres 2024 in Deutschland”.
Ausgangspunkt der Ausstellung im Diözesanmuseum Paderborn ist ein Think-Tank des Mittelalters: das ehemalige, vor 1.200 Jahren gegründet Kloster Corvey – die ehemalige Benediktinerabtei bei Höxter an der Weser, gut 60 km von Paderborn entfernt, ist seit 10 Jahren UNESCO-Welterbe. Zahlreiche Leihgaben aus ganz Europa und den USA zeigen, wie das Mittelalter antikes Wissen und antike Kultur aus den Gebieten des ehemaligen Römischen Reichs bis zu uns heute vermittelte - Klöster bewahrten einen wichtigen Teil jenes antiken Wissens, das uns bis heute prägt. Künstlerische Interventionen des Kalligraphen Brody Neuenschwander runden den Ausstellungsrundgang ab.
Exponate: Mehr als 120 faszinierende Exponate aus europäischen Museen, Bibliotheken und Archiven machen in der Ausstellung erlebbar, wie im Mittelalter antike Kulturtechniken – insbesondere das Lesen und Schreiben – und Vorstellungen von Politik, Recht, Kunst und Wissenschaften weitergegeben wurden. Mönche vervielfältigten antike Schriften, Handwerker arbeiteten antike Originale um oder integrierten sie in eigene Werke.
- So stammt das eindrucksvolle Bursen-Reliquiar aus dem 8. Jahrhundert stammt ursprünglich aus dem Schatz des Stiftes zu Enger und ist eines der bedeutendsten Werke mittelalterlicher Goldschmiedekunst; heute befindet es sich in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin. Es ist reich besetzt mit Edelsteinen, Perlen und Gemmen, die mythologische Motive antiker Steinschnittkunst zeigen, gehört zu den bedeutendsten Werken mittelalterlicher Goldschmiedekunst und wird derzeit von einem Team renommierter Wissenschaftler und Restauratoren der Staatlichen Museen erforscht. Das umfangreiche und aufwendige Forschungs- und Restaurierungsprojekt wird anlässlich der Paderborner Ausstellung von der Ernst von Siemens Kunststiftung ermöglicht.
- Wie beliebt der Rückgriff auf die Antike im Mittelalter war, zeigt ein weiteres ungewöhnliches Stück aus der Sammlung des Berliner Kunstgewerbemuseums: Es ist ein Gießgefäß, ein Aquamanile in Form einer Sirene, das für Handwaschungen bei liturgischen Handlungen oder vor Mahlzeiten gereicht wurde. Das mythologische Mischwesen aus Frau und Vogel ist auch aus der Odyssee Homers bekannt. Dass Sirenendarstellungen im Mittelalter eine gewisse Beliebtheit besaßen, zeigt sich auch im Westwerk des Klosters Corvey, wo bereits im 9. Jahrhundert eine harfespielende Sirene Teil des Ausmalungsprogramms ist.
- Aus der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz kam eine berühmte Handschrift mit den Annalen des römischen Geschichtsschreibers Tacitus (* ca. 58, † etwa 120) nach Paderborn. Der Text erhielt sich nur in einer einzigen Abschrift aus dem Kloster Fulda und wurde in der berühmten Bibliothek des Klosters Corvey bewahrt. Im 16. Jahrhundert entführten Bücherdiebe die Handschrift im Auftrag der einflussreichen Familie der Medici nach Italien. Nur aus diesem Manuskript und aus dieser einen Quelle weiß man heute von der legendären Varusschlacht, in der der Cheruskerfürst Arminius den römischen Feldherren Varus vernichtend schlug.
- Eine Leihgabe aus dem Aachener Domschatz ist die Statue einer Bärin: Die gut 2.300 Jahre alte, einzigartige Bronzefigur im Aachener Dom hat möglicherweise Karl der Große an seinen Hof geholt. Aus dem Musée de la Cour d‘Or in Metz kamen Fragmente des wertvollen spätantiken Sarkophags Kaiser Ludwigs des Frommen, Sohn und Nachfolger Karls des Großen und 822 Gründer des Klosters Corvey. Und die berühmte Stiftsbibliothek St. Gallen entlieh kostbare Fragmente einer Handschrift des römischen Dichters Vergil.
Öffnungszeiten / Tickets Dienstag bis Sonntag, 10–18 Uhr, jeden ersten Mittwoch im Monat bis 20 Uhr. 12 Euro /ermäßigt 6 Euro, freier Eintritt für Kinder bis 12 Jahren (siehe Website). Verlängerte Öffnungszeiten im Januar: Wegen vielen Nachfragen gibt es zum Ende der Ausstellung besondere Öffnungszeiten: Um insbesondere berufstätigen Menschen den Museumsbesuch zu ermöglichen, ist das Diözesanmuseum am 24. und am 25. Januar 2025 bis 20 Uhr geöffnet.
Gruppenführungen sind über die Tourist Information Paderborn buchbar: +49 (0)5251 8812980 | tourist-info@paderborn.de.
Zauberstimmen “ im Museum – ein Veranstaltungshighlight zum Abschluss: Ein Veranstaltungshighlight kurz vor Ausstellungsende ist am 22. Januar um 19:30 Uhr der Auftritt der beliebten Mädchenkantorei des Paderborner Doms unter der Leitung von Domkantor Patrick Cellnik. Auf den verschiedenen Ausstellungsebenen des Museums werden Werke zu hören sein, mit denen der Chor schon bei der Ausstellungseröffnung im September begeisterte – so auch der Choral „Civitatem istam“, der sich auf den Text der berühmten karolingischen Inschriftenplatte des Corveyer Westwerks bezieht. Eintritt 6 Euro, Tickets sind über die Museumskasse vorab erhältlich. Der Einlass beginnt um 19 Uhr.
Mehr Informationen zur Ausstellung unter www.erbe-der-antike.de. Informationen über das UNESCO-Welterbe Corvey: www.welterbewestwerkcorvey.de.
Katalog zur Ausstellung: Ein reich bebilderter Katalog zur Ausstellung bietet die neuesten Erkenntnisse europäischer Wissenschaftler*innen zur Antikenrezeption in der Karolingerzeit sowie ein beeindruckendes Panorama faszinierender Exponate zwischen Antike und Mittelalter. Corvey und das Erbe der Antike ca. 500 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen Michael Imhof Verlag 39,95 Euro Museum | 49,95 Euro Buchhandel ISBN-Nr.: 978-3-7319-1425-9.
Unsere Gesprächspartnerin: Dr. Christiane Ruhmann studierte Archäologie und Geschichte in Münster und Kiel und wurde 1998 in Münster promoviert. Während und nach der Promotion arbeitete sie in der Denkmalpflege beim Westfälischen Museum für Archäologie. Seit 1999 ist sie als Projektleitung und Kuratorin für kunst- und kulturhistorische Sonderausstellungen bei der Ausstellungsgesellschaft Paderborn, seit 2008 beim Diözesanmuseum Paderborn tätig. Darüber hinaus hat sie an Ausstellungsprojekten an den Externsteinen, in Mantua und Berlin mitgewirkt.
Kontakt: Erzbischöfliches Diözesanmuseum und Domschatzkammer, Markt 17, 33098 Paderborn, Tel. 05251 / 125-1400, E-Mail: museum@erzbistum-paderborn.de, Internet: dioezesanmuseum-paderborn.de.
Das Erzbischöfliche Diözesanmuseum Paderborn ist das älteste im deutschsprachigen Raum. Es wurde 1853 gegründet und besitzt eine der umfangreichsten und bedeutendsten Sammlungen christlicher Kunst in Deutschland. Der ständig wachsende Bestand umfasst mehr als 12.000 Werke aus rund 1.000 Jahren. Schwerpunkt: Skulptur und Goldschmiedekunst von der Romanik bis zum Barock. Das Museum befindet sich im Zentrum Paderborns neben dem Dom. Es zeigt regelmäßig große kunst- und kulturhistorische Sonderausstellungen mit Leihgaben aus renommierten Museen und Sammlungen in ganz Europa und aus Übersee.
Adresse: Erzbischöfliches Diözesanmuseum und Domschatzkammer, Markt 17, 33098 Paderborn, Tel. 05251 125-1400, museum@erzbistum-paderborn.de, Internet: https://dioezesanmuseum-paderborn.de/
Ausblick: Vom Mittelalter in die Gegenwart – Neue Ausstellung ab dem 28. März 2025
Mit Before the Wind öffnet sich das Diözesanmuseum ab dem 28. März für die zeitgenössische Kunst. In Zusammenarbeit mit dem Künstler*innenkollektiv Brieske/Baumann entsteht eine vielschichtige Inszenierung, die zugleich Ausstellung und Performance sein wird. Dabei dreht sich alles um den Wind. Dafür werden die jahrhundertealten Kunstwerke der Museumssammlung mit zeitgenössischen Arbeiten kombiniert: Skulpturen, Videos, Musik- und Soundstationen der Künstlerinnen Claudia Brieske (Berlin) und Franziska Baumann (Bern) lassen das Naturphänomen, das in unserer heutigen Gesellschaft – sei es als Bedrohung in Folge des Klimawandels, sei es als Ressource – immer bedeutender wird, in der Ausstellung lebendig werden. Das Projekt Before The Wind ist sowohl eine Ausstellung als auch eine vielschichtige vokale Inszenierung mit Live-Video, Gesang und Chor, die für die spezifische Architektur des Diözesanmuseums Paderborn konzipiert wird.