Gerade. Galen.

von Christof Beckmann

Dienstag, 03.08.2021

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„Gerade. Galen“ im St.-Paulus-Dom Münster am 3. August vorstellen. Foto: Bischöfliche Pressestelle / Ann-Christin Ladermann

Mit dem Ehrentitel „Löwe von Münster“ ging Clemens August von Galen in die Geschichte ein. Heute vor genau 80 Jahren hielt der Bischof von Münster seine berühmten Predigten gegen dieHerrschaft der Nazis. Das Bistum Münster erinnert ...

INFO: „Nichts ist verloren durch den Frieden, alles kann verloren werden durch den Krieg.“ Mit diesen flammenden Worten hatte der gerade erst fünf Monate amtierende Papst Pius XII. am 24. August 1939 vor dem drohenden Krieg gewarnt - vergeblich. Denn wenige Tage später, am 1. September 1939, überfiel die deutsche Wehrmacht Polen. Der Krieg war entfesselt.

Das Verhältnis zwischen deutscher Kirche und NS-Regime war zwiespältig: Einerseits wollte die Kirche die vermeintlichen „vaterländischen Pflichten" hochhalten; andererseits aber gab es gerade aus ihren Reihen auch viele Mahner und Widerstandskämpfer. Als Hunderttausende katholischer deutscher Soldaten ab 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg zogen, vermieden die meisten Bischöfe politische Stellungnahmen. Auch als Holocaust und Vernichtungskrieg alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten, dachten die Bischöfe in Kategorien vom gerechten Krieg, von der Treue zur von Gott gesetzten Obrigkeit und wollten keine Konfrontation riskieren. Vielen Katholiken waren Kommunismus und Nationalsozialismus gleichermaßen Zeichen für den Verfall einer gottlos gewordenen Welt.

Als sich der Nazi-Terror gegen die Bevölkerung verschärfte, saßen sie zwischen den Stühlen: Als Deutsche hofften sie auf den Sieg, mussten zugleich aber befürchten, dass die Nazis dann mit der Kirche abrechnen würden. Die Vorzeichen waren eindeutig: Katholische Erwachsenen- und Jugendverbände waren drangsaliert und verboten, Einrichtungen enteignet und Ordensleute im „Klostersturm“ vertrieben. Über 400 Priester wurden zwischen 1933 und 1945 in ein KZ gebracht, 107 kamen dort zu Tode. 63 weitere Priester wurden hingerichtet oder ermordet, dazu Abertausende aktiver Laien, davon viele in öffentlichen Schauprozessen verurteilt.

Im weitgehend katholischen Münsterland wagte Clemens August Graf von Galen, seit 1933 Bischof von Münster, öffentlich gegen das Regime aufzutreten. Seit seinem Amtsantritt hatte von Galen keinen Zweifel an seiner Kritik an der rassistischen Ideologie und totalitären Herrschaft der NS-Machthabern gelassen. 1936 hielt er am Grab der im dritten Jahrhundert hingerichteten römischen Märtyrer Viktor und Gefährten im Viktors-Dom zu Xanten eine seiner berühmtesten Reden: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen", lautete seine Kampfansage an die Nationalsozialisten. In drei öffentlichen Predigten protestierte er 1941 öffentlich gegen Rechtlosigkeit, Enteignung, Gewalt, Einschüchterung, Terror, und gegen die Vernichtung von „lebensunwertem Leben“. Vor 80 Jahren, am 13. Juli 1941 in St. Lamberti Münster, am 20. Juli 1941 in St. Liebfrauen Überwasser und am 3. August 1941 in St. Lamberti hielt er seine berühmt gewordenen drei Predigten gegen den Terror der Nationalsozialisten und der Gestapo, er kritisierte darin die Vertreibungen von Ordensleuten und die „Euthanasie“, die Vernichtung sogenannten „lebensunwerten Lebens“. Die Predigten lösten lauten Beifall und Zustimmung aus, wurden unzählige Male abgeschrieben, kopiert und unter Lebensgefahr selbst bis an die Fronten vom Nordkap bis Sizilien, vom Atlantik bis an die Ostfront heimlich verteilt. Er war einer der wenigen, die in dieser Weise öffentliche Kritik wagten und seine Standhaftigkeit wurde weltweit anerkannt.

Nur indirekt verurteilten die deutschen Bischöfe den Völkermord an den Juden, etwa mit ihrem „Menschenrechtshirtenbrief“ im März 1942. 1945 wurde die Frage nach dem Verhältnis von katholischer Kirche und Judentum zunächst als ethisch-moralische Frage nach dem Verhalten einzelner Katholiken diskutiert. „Erschüttert stehen wir vor der Offenbarung so furchtbarer Greueltaten in den Konzentrationslagern, vor dem Versuch, ganze Volkschaften zu vernichten", schrieben die Bischöfe der Kölner und Paderborner Kirchenprovinzen am 29. Juni 1945 und riefen ihre Diözesanen zur „Ehrfurcht vor Gott und Mensch" auf. Ausführlich zu Schuld und Verantwortung äußerten sich die deutschen Bischöfe in ihrem ersten gemeinsamen Hirtenwort am 23. August 1945: „Wir beklagen es zutiefst: Viele Deutsche, auch aus unseren Reihen, haben sich von den falschen Lehren des Nationalsozialismus betören lassen, sind bei den Verbrechen gegen menschliche Freiheit und menschliche Würde gleichgültig geblieben; viele leisteten durch ihre Haltung den Verbrechen Vorschub, viele sind selber Verbrecher geworden. ... Es muss wieder Ehrfurcht herrschen, auch vor der Persönlichkeit des Nächsten! Wir haben es alle noch zu lebendig vor Augen, was aus dem Menschen wird, der entrechtet, misshandelt, seiner Menschenwürde beraubt wird." (KNA)

Von Galen überlebte den Krieg nur kurz: Am 21. Februar 1946 erhob ihn Papst Pius XII. in Rom zum Kardinal, einen Monat nach seiner triumphalen Rückkehr starb von Galen am 22. März 1946. 2005 wurde er seliggesprochen. Sein Leben und Wirken thematisiert die Homepage http://www.galen-archiv.de.

Gottesdienste erinnern: Das Bistum Münster erinnert in diesen Tagen an diese Zeit. Seiner ersten der berühmten „Predigten in dunkler Zeit“ wurde am 20. Juli bereits bei einem ersten „Gerade. Galen.“-Gottesdienst in der Überwasser-Kirche gedacht. Die Predigt übernahm Sr. Katharina Kluitmann, Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe, Vorsitzender der deutschen Ordensobern. Messe und Predigt sind hier abrufbar: https://youtu.be/0R8ucMDnjRw

Beim zweiten Wortgottesdienst im St.-Paulus-Dom Münster am Dienstag, 3. August, werden um 19.30 Uhr Auszüge aus von Galens Predigt vom 3. August 1941 zu hören sein. Dazu gibt es eine aktuelle Predigt mit vertiefenden und ergänzenden Gedanken von Pfarrer Dr. Christian Schmitt, Vorsitzender des Caritasverbandes der Diözese Münster e. V.. Schmitt und Dompropst Kurt Schulte laden zu dem Wortgottesdienst ein, „weil die Botschaft des früheren Bischofs von Münster heute uneingeschränkt gilt: gerade bleiben, sich nicht verbiegen und nicht abbringen lassen vom Schutz Schwächerer und davon, auf Unrecht aufmerksam zu machen“, sagt Schulte. Dieser Gedanke sei „bei aller kritischen Einordnung, die von Galens Positionen heute teilweise erfahren, eine bleibende Herausforderung für alle Christen“, betont Schmitt. Das Bistum Münster überträgt den Wortgottesdienst live im Internet. Interessierte können ihn unter www.bistum-muenster.de, www.paulusdom.de sowie auf der Facebook- und Youtube-Seite des Bistums verfolgen und ist danach hier abrufbar: https://youtu.be/USpAxo-PwEE.

„DomGedanken“ in Münsters Paulusdom: Der Dom ist nicht nur Ort für Gottesdienste – das zeigt die diesjährige Reihe der „DomGedanken“. Sie stehen unter dem Titel „Demokratie - ein Auslaufmodell?“ und beginnen am 11. August mit Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Eine Woche später am 18. August gestaltet der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen den Abend zum Thema „Wählen und Regieren in der Coronakratie“. Das Thema der Münchner Historikerin Hedwig Richter lautet am 25. August „Demokratie - eine Fiktion?“. Am 1. September referiert der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck über „Demokratie in Frage? Anmerkungen zur Diagnose und Therapie“. Zum Abschluss kommt am 8. September Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, der über „Demokratie - das Fundament Europas“ spricht. Die Vorträge beginnen jeweils um 18.30 Uhr.

Für alle Termine der „DomGedanken“ 2021 sind Anmeldungen unter www.paulusdom.de oder bei der Domverwaltung unter Tel. 0251 / 495 67 00 oder per E-Mail an dom@bistum-muenster.de nötig. Alle Veranstaltungen überträgt das Bistum Münster auch live auf www.bistum-muenster.de und www.paulusdom.de sowie auf der Facebook-Seite und dem Youtube-Kanal der Diözese.

Dienstag, 03.08.2021