Katar: Frauenfeindliche Justiz

von Christof Beckmann

Freitag, 25.11.2022

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missio-Projektpartnerin Schwester Mary John Mananzan OSB von den Philippinen / Screenshot missio-Video

Richtig was los bei der WM heute in Gruppe A und B. Aber läuft doch nicht ganz so rund am Persischen Golf. Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen heute: Eine engagierte Ordensschwester und ein Blick auf Katar …

INFO: Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde erstmals 1981 zum 25. November bei einem Treffen lateinamerikanischer und karibischer Feministinnen ausgerufen. Die UNO machte ihn 1999 zu einem Internationalen Gedenk- und Aktionstag (UN-Resolution A/RES/54/134). Mehr: UN-Webseite: https://www.un.org/en/observances/ending-violence-against-women-day

Frauenfeindliche Rechtsprechung in Katar: Das katholische Hilfswerk missio fordert ein Ende der frauenfeindlichen Rechtsprechung in Katar im Zusammenhang mit sexueller Gewalt. Wer in dem WM-Land Opfer einer Vergewaltigung werde, riskiere dabei, selber angeklagt zu werden, erklärte der Präsident von missio in Aachen, Pfarrer Dirk Bingener. Besonders betroffen und wehrlos seien auch die rund 173.000 ausländischen Migrantinnen, die als Haushälterinnen oder Pflegerinnen in Privathaushalten in Katar unter sehr schlechten Bedingungen 15 oder mehr Stunden am Tag arbeiten müssen. Dabei sind fast alle sexueller Gewalt ausgesetzt, berichtete die philippinische missio-Projektpartnerin Schwester Mary John Mananzan OSB. Doch in Katar gilt das islamische Recht, die Scharia; Frauen sind nicht gleichberechtigt. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen Peitschenhiebe und eine Gefängnisstrafe.

Aus diesem Grund hat missio eine Petition gestartet, die sich an die Außenministerin Annalena Baerbock mit folgendem Appell richtet: „Setzen Sie sich beim Emir von Katar dafür ein, dass die juristische Praxis beendet wird, mit deren Hilfe Frauen nach einer Vergewaltigung vor Gericht wegen ‚außerehelichen Geschlechtsverkehrs‘ angeklagt werden können“. Die Kritik an der frauenfeindlichen Rechtsprechung wird von der ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin unterstützt. „Es darf nicht sein, dass die Opfer von Vergewaltigungen vor Gericht gestellt werden und ihnen zynisch „außerehelicher Geschlechtsverkehr“ vorgeworfen wird. Das ist perverse Männerjustiz und hat mit den hehren Grundsätzen des Islam nichts zu tun“. Zum WM-Finale ist eine erste Aktion mit der Außenministerin in Berlin geplant. Alle Unterschriften werden im November 2023 an Annalena Baerbock übergeben. Zur Petition: www.missio-hilft.de/katar.

Video: Rote Karte für Katar - Appell von Sr. Mananzan | missio

„Stoppt diese frauenfeindliche Rechtsprechung in Katar“, fordert die philippinische Ordensschwester Mary John Mananzan OSB gemeinsam mit missio. Denn in dem WM-Land droht Frauen, die sich nach einer Vergewaltigung hilfesuchend an die Polizei wenden, selber eine Anklage wegen „außereheliche Geschlechtsverkehr“, verbunden mit einer Strafe von 100 Peitschenhieben. Weitere Informationen zur der missio-Petition gegen diese Rechtsprechung auf » https://www.missio-hilft.de/katar, Website » https://missio-hilft.de, Facebook » https://facebook.com/missio.de, Twitter » https://twitter.com/missio_de, Instagram » https://instagram.com/missio_de

Missio-Studie zu Menschenrechten in Katar: Ausführliche Informationen zum Thema liefert die missio-Studie „Die Fußballweltmeisterschaft in Katar: Menschenrechte, Arbeitsmigration und Außenpolitik“. Experte Sebastian Sons beschreibt, dass das sogenannte Sportswashing im Falle von Katar nicht funktioniert hat. Es sei nicht gelungen, von den Missständen abzulenken. Im Gegenteil, der Druck nach Reformen steige an. Die Menschenrechtsstudie ist kostenlos bei missio erhältlich. Mehr: www.missio-hilft.de/katar.

22. FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022™: Insgesamt 32 Nationen nehmen vom 20. November bis 18. Dezember in Katar an der Fußball-WM in Katar teil. Deutschland spielt in WM-Gruppe E gegen Spanien, Japan & Costa-Rica und greift im Al-Bayt-Stadion am Sonntag, 27. November, in der Vorrunde gegen Spanien ein. Das Endspiel findet am 4. Advent, 18.12.2022, im Lusail Stadion (80.000 Zuschauern) statt. Nicht nur der Zeitpunkt der WM hatte für Debatten gesorgt, auch der der Ort. Bei der Vergabe der WM 2010 bekam Katar im vierten Wahlgang den Zuschlag, obwohl es sogar laut interner Fifa-Prüfberichte von allen Bewerbungen am wenigsten für eine WM-Ausrichtung geeignet war. Die unter großem Druck vorangetriebenen Baumaßnahmen für Stadien und Infrastruktur wurden immer wieder kritisch begleitet: Viele Bauarbeiter arbeiteten bei Temperaturen bis zum 50 Grad Celsius und extrem schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen beim Bau der WM-Stadien mit. Auf den internationalen Druck hin wurden zwar die Arbeitsbedingungen teilweise verbessert, doch kamen in den letzten zehn Jahren nach Recherchen der britischen Zeitung „The Guardian” 6.500 Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka ums Leben. Katar wies das zurück, sprach von weniger als 50 Unfalltoten, die FIFA erklärte ihrerseits, nur drei Todesfälle stünden in direktem Zusammenhang mit dem Bau von Sportstätten und dazugehöriger Infrastruktur. Internet: https://www.fifa.com/fifaplus/de/tournaments/mens/worldcup/qatar2022

Sportbischof: Reformkräfte in Katar auch nach WM unterstützen: Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben zu einem ehrlichen Umgang mit der Fußball-WM in Katar aufgerufen. Er wolle „kein schlechtes Gewissen einreden“, wenn Fans vor Ort oder in den Medien die WM verfolgten, erklärte der Sportbischof der Bischofskonferenz, Stefan Oster, am 17. November in Bonn. „Aber es wäre auch unangemessen, die eingeschränkten Menschenrechte zu verschweigen.“ Die Reformkräfte in dem Land müssten auch nach dem Turnier unterstützt werden. Der Passauer Bischof erinnerte an die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigranten, von weiblichen Hausangestellten, nichtislamischen Religionsangehörigen und sexuellen Minderheiten in Katar. Gleichzeitig warnte er davor, bei der Kritik moralisch überheblich aufzutreten. In Katar lebten „eine konservativ-traditionelle islamische Gesellschaft und eine wirtschaftliche Hypermoderne miteinander“. Es wäre ungerecht, so Oster, „bei der notwendigen Kritik an fragwürdigen Zuständen diese besondere Situation auszublenden“. Oster plädierte dafür, die Reformkräfte in Katar auch nach der WM weiter zu unterstützen. Es sei angemessen, „dass in diesen Tagen der Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf das Land gerichtet wird und auch die problematischen Aspekte ausgeleuchtet werden“. Es bleibe aber „Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, auch nach der Beendigung der WM in Katar die Reformkräfte im Land weiter zu unterstützen und in der Aufmerksamkeit für die Menschenrechte nicht nachzulassen“.

Zum vollständigen Text der Erklärung „Bischof Oster zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. „Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse kritisch in den Blick nehmen“: https://www.dbk.de/presse/aktuelles/meldung/bischof-oster-zur-fussball-weltmeisterschaft-in-katar

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