Oh du Traurige: In den Trümmern von Aleppo

von Dr. Christof M. Beckmann

Montag, 19.12.2016

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Bild: Zerstörter Wohnblock in Aleppo, Syrien. Foto: Kustodie des Heiligen Landes

Adventszeit heißt hier: Gemütlichkeit, Gebäck und Kerzenglanz. Im umkämpften Aleppo gibt es in diesem Jahr laut Firas Lutfi wenig Adventliches. Der Franziskanerpater harrt mit drei weiteren Ordensbrüdern in Aleppo aus und versorgt die Menschen ...

INFO: Die Rückeroberung der Stadt Aleppo durch syrische Regierungstruppen verläuft nach Angaben von Helfern unter völliger Missachtung von Menschenrechten und internationalem Völkerrecht. Die Lage sei höchst bedrohlich und das Leid der Menschen unvorstellbar, erklärte der stellvertretende Leiter von Malteser International, Sid Peruvemba, letzte Woche in Köln. Zivilisten in den vormals von der Opposition kontrollierten Gebieten werde möglicherweise lebensrettende Hilfe vorenthalten, hinzu kämen Berichte über willkürliche Festnahmen, massenweise Internierung oder spurloses Verschwinden von Männern. Am Dienstag war auch das christliche Viertel in Westaleppo erneut unter Raketenbeschuss geraten. Unter anderem sei eine Rakete im Jesuitenkonvent eingeschlagen, berichtete der katholische Pfarrer von Aleppo, Franziskanerpater Ibrahim Al-Sabagh. Rund 500 Rebellenkämpfer hätten sich danach auf einem Gebiet von rund einem Quadratkilometer verschanzt und von dort aus den Westen der Stadt beschossen. Problematisch seien auch bewaffnete kurdische Kämpfer in Teilen der Stadt sowie korrupte regierungstreue Milizen.

Nach Medienberichten sitzen etwa 100.000 Menschen im Osten der Stadt fest, noch keiner soll die Stadt verlassen haben. Hintergrund sollen Differenzen zwischen dem Regime und seinem Verbündeten Russland sein. Die Organisationen „Save the Children“ und Unicef riefen am Dienstag alle Konfliktparteien auf, die sichere und sofortige Evakuierung der Zivilbevölkerung zuzulassen. Dafür brauche es international überwachte und sichere Fluchtrouten. In Aleppo ereigne sich „vor unseren Augen die schlimmste humanitäre Katastrophe des 21. Jahrhunderts“, sagte der französische Botschafter bei den Vereinten Nationen, François Delattre, am Dienstag in New York.

Die Franziskaner in Syrien: Franziskus von Assisi sandte bereits 1217 einen Vertreter seines Ordens nach Syrien. Damit jährt sich im kommenden Jahr die Gründung der syrischen Franziskanerprovinz vor 800 Jahren. Durchgehend präsent sind die Franziskaner In Aleppo seit 1560. Das dem 1645 errichtete und 1762 wiederbegründete Apostolischen Vikariat von Aleppo, das für die katholischen Christen in Syrien zuständig ist, umfasst 10 Pfarreien. Derzeitiger Apostolischer Vikar ist seit 2013 der gebürtige Libanese und Franziskanerpater Georges Abou Khazen OFM. Mehr: http://www.proterrasancta.org/en/the-franciscan-presence-in-syria/, Kontakt: info@proterrasancta.org, Internet: http://www.custodia.org/, Facebook: https://www.facebook.com/latinparish.aleppo/?ref=nf

Spendenaktion für Aleppo:
Spenden für die Arbeit der Franziskaner in Aleppo sind über die Franziskaner-Organisation „Pro Terra Sancta“ unter folgender Bankverbindung möglich:
IBAN: IT67 W050 18121010 0000 0122691
BIC: CCRTIT2T84A
Verwendungszweck: „Fr. Firas Lutfi-Aleppo“

In einer in Rom und Jerusalem veröffentlichten gemeinsamen Erklärung vom 04.10.2016 hatten Bruder Michael A. Perry, OFM, Generalminister des Franziskanerordens, und Bruder Francesco Patton OFM, Kustos des Heiligen Landes, zu einer Beendigung der Konflikte aufgerufen:

„Liebe Brüder und Schwestern in Christus, liebe Männer und Frauen guten Willens, der Herr gebe Euch Frieden. In unserem Namen und im Namen unserer Brüder, die im Mittleren Osten leben, insbesondere in Syrien, in einer Region, die einen furchtbaren Krieg und gewaltige Konflikte erlebt, möchten wir unsere Dankbarkeit ausdrücken gegenüber Papst Franziskus, für seine unerschütterliche Nähe zum syrischen Volk in einer Zeit, in der es ein unaussprechliches Leid erfährt, insbesondere im Osten und Westen der Stadt Aleppo.

Wir möchten uns den Worten des Papstes anschließen: „Wir müssen mit großer Traurigkeit feststellen, dass seit unserem Treffen vor einem Jahr, trotz großer Fortschritte in verschiedenen Gebieten, sich die Logik von Waffen und von Unterdrückung fortsetzt, um über diese Länder Zerstörung zu verbreiten und dass wir, besonders jetzt, nicht fähig waren, das bittere Leiden und die wiederholten Verletzungen der Menschenrechte zu beenden(…). Gewalt schafft neue Gewalt, und wir haben den Eindruck, in einer Spirale von Arroganz und Untätigkeit gefangen zu sein, aus der es kein Entkommen gibt„. (Ansprache von Papst Franziskus an die Mitglieder katholischer Organisationen, die im Irak, in Syrien und in den benachbarten Territorien tätig sind, Rom, 29. September 2016).

Geleitet durch das Beispiel und die Lehre unseres Ordensgründers Franziskus von Assisi, eines Friedenspropheten, möchten wir uns den Aufruf von Papst Franziskus zu eigen machen, indem wir uns mit allen Kräften seinem Ruf verpflichten: „Den Konflikt zu beenden liegt ebenso in den Händen von Männern und Frauen: jeder von uns muss ein Frieden- Schaffender werden, weil jede Situation von Gewalt und Ungerechtigkeit eine Wunde am Leib der ganzen Menschheitsfamilie ist“ (ebd.).

Daher appellieren wir an alle beteiligten Mächte und an alle, die politische Verantwortung tragen, das Wohl der verteidigungslosen Bevölkerung von Syrien und von der Stadt Aleppo über alles und vor alles zu stellen. Wir rufen zu einem sofortigen Schweigen der Waffen auf, den Hass und jede Form von Gewalt zu beenden, so dass alle den Weg des Friedens, der Versöhnung und der Vergebung finden und gehen.

Wir fordern, dass die ganze internationale Gemeinschaft konkrete Schritte unternimmt, um Aleppo als eine sichere Zone zu erklären, indem man Lehren und Lösungen bei früheren Konflikten benutzt, um eine größtmögliche Zusammenarbeit für eine solche Initiative zu erreichen. Eine Sicherheitszone um Aleppo herum würde der ganzen Bevölkerung, die durch die furchtbaren Ergebnisse des Konfliktes niedergeschlagen ist, erlauben, wirkliche humanitäre Hilfe ohne Diskriminierung zu erhalten, Verlässlichkeit und Sicherheit sowie Trost und Hoffnung in einer schnellen Lösung, die nur durch Frieden begründet würde.

Weitere Sicherheitszonen sollten in Syrien geschaffen werden als Teil eines umfassenden Planes, um Sicherheit für alle zu gewährleisten, und schließlich einen endgültigen Frieden zu erreichen. Diese Gebiete sollten unter die Kontrolle von UN Friedensstiftern gestellt werden, die unter dem Mandat eines Sicherheitsgremiums und in voller Zusammenarbeit der in diesem Krieg beteiligten Parteien tätig würden.

Außerdem fordern wir weltweit die Länder auf, so großzügig wie möglich syrische Flüchtlinge aufzunehmen, wobei nationale und örtliche Gesetze vollständig zu beachten sind, und alle nötige Hilfe anzubieten, um der dringenden humanitären Not und den Sicherheitsinteressen Syriens zu begegnen. Nur auf diesem Weg ist es möglich – durch Zurückstellen aller Partei-Interessen -, diesen verwüstenden Konflikt zu beenden, und einen wirklichen Pfad zu eröffnen, um das Leben des Volkes, die Würde und die Hoffnung zu ermöglichen.

Wir bieten unsere Gebete und unsere Hilfe all jenen an, die so furchtbar in diesem Krieg leiden, als auch unseren Brüdern, die voller Mut weiterhin in Syrien leben. Durch ihre Nähe und durch ihre praktische Hilfe gegenüber all jenen, die durch die quälenden Konsequenzen des Konfliktes niedergeschlagen sind, haben sich die Brüder selbst als die „guten Samariter“ erwiesen.

Wir erneuern unsere eigene Verpflichtung und wir laden Euch alle ein, Männer und Frauen guten Willens, wirkliche Friedensstifter zu werden. Möge der Durst nach Frieden, der im Herzen einer jeden Person zu finden ist, besonders in den Herzen unserer Brüder und Schwestern in Syrien, erfüllt werden.“

Quelle: http://franziskaner.net/franziskaner-fordern-sofortige-waffenruhe-in-aleppo/

Hilfsaktionen für Aleppo: Zu den aktuell angelaufenen Hilfsaktionen für Aleppo zählt eine Aktion des Diözesan-Caritasverbandes und des Erzbistums Paderborn, die Winterbekleidung für syrische Familien produzieren. Hergestellt wurden die rund 6.500 Winter-Anoraks trotz Kriegseinwirkungen in einheimischen Schneiderei-Betrieben im Westen der Stadt Aleppo und ermöglichten damit auch Arbeit in dem vom Krieg geschüttelten Land. Zu Weihnachten wurden sie über Kontakte zu Hilfsorganisationen und zu den verschiedenen christlichen Gemeinden verteilt, da die winterliche Kälte besonders den Kindern zusetzt.

Mit den Kosten von 105.000 Euro wurde auch die Arbeit eines medizinischen Zentrums in Syrien gefördert. Die Ordensgemeinschaft der Schwestern Jesu und Mariens will jetzt auch dabei helfen, Wohnungen wiederherzustellen. Der Diözesan-Caritasverband Paderborn bittet um weitere Spenden für Hilfsprojekte in Syrien auf das Konto:  IBAN DE54 4726 0307 0000 0043 00, BIC GENODEM1BKC (Bank für Kirche und Caritas), Stichwort: Syrien.

Montag, 19.12.2016