St. Martin reitet wieder

von Johanna Risse

Montag, 11.11.2019

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Bild: Weckmänner aus der Backstube von Andrea Mohr, Foto: www.thekitchenlioness.com

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ heißt es in der Bibel. Ein römischer Soldat machte damit ernst und noch 1.700 Jahre später ist er unterwegs: Sankt Martin. Zum bunten Lampion gibts bei uns ein Rezept.

INFO: Die heutigen Martinsumzüge – meist finden sie in diesen Tagen statt - gibt es in dieser Art seit 1823: Der erste ist in Düsseldorf überliefert. Doch ist die Verehrung des Heiligen an einem wichtigen Zins- und Pachttermin, an dem auch Anstellungsverhältnisse endeten oder begannen, sehr viel älter. Sie entstand schon früh nach seinem Tod und verbreitete sich vor allem schnell im fränkischen Herrschaftsbereich.

Martin, benannt nach dem römischen Kriegsgott Mars und wahrscheinlich um 316/17 in Sabaria, dem heute ungarischen Szombathely (Steinamanger) geboren, war Soldat, Priester, Einsiedler und Bischof. Er trat als 15-Jähriger in Pavia in die römische Armee ein und gehörte zu einer in Gallien eingesetzten Eliteeinheit. Der Legende nach spielte sich 334 in Amiens jene Szene ab, die alljährlich bei den Martinszügen eine Rolle spielt: In einem strengen Winter begegnete er einem armen, unbekleideten Bettler, der um Hilfe bat. Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel und gab dem Frierenden eine Hälfte. In der Nacht sah er im Traum Christus bekleidet mit dem Mantelstück und Martin ließ sich taufen. Er wurde Priester, zog sich als Einsiedler zurück, gründete 361 mit dem Kloster Ligugé das erste Kloster im westlichen Abendland und wurde 371 vom Volk zum Bischof von Tours ausgerufen. Damit verbunden ist die Erzählung, dass Martin sich in einem Gänsestall versteckte, um so diesem Amt zu entgehen. Doch das Geschnatter des Federviehs – so die Legende - verriet ihn. Er starb 397.

Bereits auf seine Zeitgenossen machte Martin einen nachhaltigen Eindruck: Frankenkönig Chlodwig machte ihn gut 100 Jahre nach dessen Tod zum „Nationalheiligen“ des Reiches. Martin, der erste Heilige der Kirche überhaupt, der nicht als Märtyrer starb, ist Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlandes in Österreich, Patron der Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart sowie tausendfacher Namensgeber für Kirchen und Klöster weltweit. Katholiken verehren ihn ebenso wie Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und armenische Christen. Sein Gedenktag, der Martinstag am 11. November, galt früher als Winteranfang und Tag der Zins- und Pachtzahlungen. Zu den fälligen Naturalabgaben gehörte auch die Martinsgans als Höhepunkt eines üppigen Festtagsessens. In Gallien und auch in den Klöstern begann früher mit dem Martinstag die Adventszeit, die damals sechs Wochen dauerte und als Bußzeit mit dem Verzicht auf Fleischspeisen verbunden war. Somit bot sich der Vorabend des Martinstages an, noch einmal richtig zuzulangen und zu feiern: den 11.11. als Karnevalsbeginn, an dem heutzutage „Prinz Karneval“ proklamiert wird.

Martinsbrauchtum: Martinszüge mit Pferd und Laternen, Verteilung von Süßigkeiten und Gänsebraten sind in vielen Regionen Deutschlands bis heute verbreitet. Das Brauchtum um den Heiligen wurde sogar immaterielles Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Für die Aufnahme der Martinstradition hatten sich der Niederrheiner Jeya Caniceus aus Kempen und Rene Bongartz aus Brüggen stark gemacht und dafür Unterstützung von Martinsvereinen erhalten. Dazu gibt es alle Informationen auf der Internetseite: http://www.martinstradition.de.

Europäischer Martinsweg: Europäische Martinswege gehen inzwischen durch Frankreich, Ungarn, Italien, England, Kroatien und Slowenien. Denn seit einigen Jahren entsteht auf Initiative des Europarats ein europäisches Netz von Pilgerwegen, die ähnlich wie die Jakobswege nach Santiago de Compostela in Nordspanien durch ganz Europa führen, an den populären Heiligen erinnern wollen und seinen Geburtsort im heute ungarischen Szombathely (Steinamanger) mit dem französischen Tours verbinden. Die Hauptroute der „Via sancti Martini“ verläuft von Ungarn aus nach Slowenien, über Venedig nach Mailand, durchs Aosta-Tal und überquert beim Kleinen Sankt Bernhard die Alpen Richtung Lyon und endet der Weg in Tours. Die Route berührt damit eine Reihe von Orten, an denen Martin laut historisch gut gesicherten Erkenntnissen auch gewesen ist. Ein zweiter Weg durch Österreich, Deutschland, Luxemburg und Frankreich wird Mittelroute genannt. Für die Strecke durch die Bistümer Freiburg, Speyer, Mainz und Trier wurde im November 2016 das letzte durch Deutschland führende Teilstück zwischen Trier und Luxemburg eröffnet. Hinzu kommen zwei weitere Routen: Die eine führt in Süd-Nord-Richtung vom spanischen Saragossa durch die Pyrenäen nach Tours, die andere verbindet als Nord-Süd-Tour das niederländische Utrecht mit der Stadt an der Loire. Erkennbar sind alle Wege an bordeauxroten Tafeln mit einem gelben Kreuz und dem Signet des Europarates. Das Wegenetz umfasst rund 2.500 Kilometer. Infos: www.saintmartindetours.eu, www.martinuswege.eu, http://culture-routes.net/routes/the-saint-martin-of-tours-route, http://www.vianovis.net/martinusweg/datagis/pdf/karte-via-sancti-martini-21-mars-2015.pdf

BUCHHINWEIS: Judith Rosen, Martin von Tours. Der barmherzige Heilige, Verlag Philipp von Zabern – WBG, 2016, 280 Seiten, Preis: 29,95 Euro, ISBN: 9783805350242. Pünktlich zum 1700. Geburtstag im Jahr 2016 zeichnete die Bonner Autorin Judith Rosen ein auf breiter Quellenbasis beruhendes, anschauliches Portrait dieser zentralen Figur des spätantiken Christentums und seiner Zeit. Die Lehrbeauftragte für Alte Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn legte im Verlag Philipp von Zabern eine 280 Seiten starke Biographie vor, die am Beispiel von Martins Leben den Aufbruch der Kirche in Gallien und die Spannungen zwischen Kirche und Staat fundiert und gut verständlich schildert. Dazu hat sie die Vita Martini, drei Briefe und drei Dialoge von Sulpicius Severus, dem Zeitgenossen und Bewunderer des dritten Bischofs von Tours, herangezogen. Judith Rosen stellt sie in die geschichtlichen Zusammenhänge der Zeit und ordnet sie kritisch ein. Die mit zwölf Illustrationen, zwei Karten und einem Register ausgestattete Arbeit machen das Buch – nicht nur für Spezialisten – sehr lesenswert.

Unsere Gesprächspartnerin: Andrea Mohr ist unsere Küchenlöwin aus Bonn. Auf ihrem Rezepteblog „Thekitchenlioness. Notes from a very small German kitchen“ gibt es kulinarische Hochgenüsse. Kontakt: N. Andrea Mohr, Seehausstr. 33, 53117 Bonn, E-Mail: andrea@thekitchenlioness.com, nclndrmhr@gmail.com, Internet: http://kitchenlioness.blogspot.de. Hier ist ihr Rezept:

Weckmänner (für sechs Stück)

Zutaten für den Hefeteig
500g Mehl (Type “550”)
21g frische Hefe (oder ein Päckchen Trockenhefe) 250ml lauwarme Milch (3.5%)
50g zerlassene Butter
50g feiner Zucker
1 1⁄2 TL Bourbon Vanillezucker
1 Ei (L), Freiland oder Bio
1 TL geriebene Zitronenschale (Bio)
eine Prise feines Meersalz

Dekoration
1 Eigelb (L), Freiland oder Bio
2 TL Milch
ein paar Rosinen für Augen, Mund und Knöpfe Tonpfeifen (Länge ca. 9,5cm) oder kleine Lutscher

Außerdem
2 Backbleche
2 Bögen Backpapier Backpinsel

Zubereitung des Hefeteigs
Das Mehl in eine Schüssel geben, in die Mitte eine Vertiefung drücken.
Die Hefe in der warmen Milch auflösen, in die Mulde gießen und mit etwas Mehl vom Rand bestreuen; zugedeckt an einem warmen Ort 15 Minuten ruhen lassen (Vorteig).
Die Butter mit dem Zucker, Vanillezucker, Ei, Zitronenschale und Salz zum Vorteig geben und mit dem gesamten Mehl alles zu einem glatten Teig verarbeiten.
Zugedeckt an einem warmen Ort zirka 1 Stunde gehen lassen.
Dann mit den Händen auf der leicht bemehlten Arbeitsfläche gut durchkneten. Den Teig wieder in die Schüssel geben.
Zugedeckt zirka weitere 40 Minuten gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt hat.
Den Teig zusammenkneten, in 6 Portionen teilen.
Teig für Weckmänner abwiegen (für Weckmänner rechnet man ca. 150 - 160g Teig), erst Kugeln, dann kurze Rollen formen, abdecken, dann 10 Minuten ruhen lassen.
Dann die Weckmänner formen: Teig zu einer 20cm langen Rolle ausformen. Für den Kopf drückt man oben (nachv4cm) den Teig mit dem Handrücken ein, Kopf formen, den Rest der Rolle flach drücken, Nun schneidet man für die Arme links und rechts den Teig ein und zuletzt wird ein Schnitt für die Beine gemacht, die Pfeife auf den Weckmann legen und einen Arm über die Pfeife legen.
Zwei Backbleche mit Backpapier auslegen.
Die Weckmänner auf die Backbleche legen und 15 bis 20 Minuten gehen lassen (abdecken).
Den Backofen auf 180° C (Ober-und Unterhitze) vorheizen.
Das Eigelb mit der Milch vermischen, die Weckmänner damit bestreichen, in die Teigstücke Rosinenaugen und evtl. noch ein paar Knöpfe auf dem Bauch eindrücken.
Im Backofen bei 180° C etwa 20 Minuten backen. Vom Blech nehmen und auf einem Gitter abkühlen.

Montag, 11.11.2019