Bischof auf der „Sea-Eye 4

von Christof Beckmann

Dienstag, 25.05.2021

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Zerstörtes Schlauchboot, (c) Fabian Heinz & sea-eye.org.jpg

Zwei Wochen war er mit dem Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ auf See: Zum heutigen Afrikatag Fragen an Michael Wüstenberg aus Dortmund, früher Bischof in Südafrika, über das Handeln Europas und seine christlichen Werte ....

INFO: Der Afrikatag wird in jedem Jahr am 25. Mai in Erinnerung an die Gründung der Organisation der Afrikanischen Einheit begangen. Die am 25. Mai 1963 entstandene Organisation gilt als Vorgänger der 2001 nach dem Vorbild der Europäischen Union gegründete gegründeten Afrikanischen Union, deren Charta von 30 afrikanischen Staaten in Addis Abeba (Äthiopien) unterzeichnet wurde. In vielen Ländern Afrikas ist der 25. Mai seitdem ein gesetzlicher Feiertag.

„Skandal, wie Europa sich verhält“: Der frühere südafrikanische Bischof Michael Wüstenberg fordert von der Politik, sich stärker für Flüchtlinge einzusetzen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. „Es ist ein Skandal, dass sie in die libyschen Lager zurückgetrieben werden, wo unmenschliche Zustände herrschen“, sagte der in Hildesheim lebende 66-jährige Ruhestandsgeistliche im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Es ist ein Skandal, wie sich Europa verhält - auch vor dem Hintergrund des Wertekodex, den es vertritt.“ Der katholische Bischof forderte menschliche Aufnahmebedingungen und die Bekämpfung von Fluchtursachen - auch wenn das ein anstrengendes und langwieriges Unterfangen sei. Wüstenberg verlangte auch, dass manche Bischöfe auf europäischer Ebene noch deutlicher gegenüber ihren Regierungen auftreten. „Im Sinne der Menschlichkeit ist es dringend geboten, dass die Kirche sich für Flüchtlinge einsetzt.“

Irrfahrt auf dem Mittelmeer: Das Mittelmeer gilt als eine der gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. Zwar geht die Zahl der Toten seit 2016 zurück, doch allein in diesem Jahr sind dort Schätzungen über 700 Menschen auf der Flucht ertrunken. Hilfsorganisationen wollen das verhindern – unter ihnen auch die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye. Auf dem im Oktober 2020 mit Unterstützung des Seenotrettungsbündnisses United4Rescue erworbenen und für Rettungszwecke umgebauten ehemaligen Offshore-Versorgungsschiff (Baujahr 1972) Sea-Eye 4 hatte Bischof Wüstenberg zwei Wochen lang die Überführungsfahrt des kürzlich in Rostock getauften Schiffs über das Skagerak, den Ärmelkanal und die Biskaya in die spanische Hafenstadt Burriana begleitet. Von dort brach das Schiff zu seiner ersten Mission im Mittelmeer auf.

Innerhalb von nur vier Tagen und sechs Operationen griff es in internationalen Gewässern der libyschen und der maltesischen Rettungszone 415 in Seenot geratene Menschen auf. Die Menschen hätten sich auf hochseeuntauglichen Holzbooten befunden. Unter ihnen seien 150 Minderjährige, so die Besatzung auf ihrem Twitteraccount, von dem aus regelmäßige Hilferufe gesendet werden. Laut der Organisation German Doctors, die die Mission medizinisch begleitet, waren 25 der Migranten in einem behandlungswürdigen oder sogar kritischen Zustand.

Malta lehnte die Aufnahme ab. Das Unterstützer-Bündnis „United4Rescue“ erklärte, es dürfe nicht sein, „dass auf europäischer Ebene jetzt wieder eine unwürdige Diskussion über die Verteilung von einzelnen Personen beginnt“. Die vergangenen Stunden hätten gezeigt, wie sehr diese Schiffe gebraucht würden, sagte der Vizevorsitzende des Vereins, Michael Schwickart. In 2 Tagen wird es schlechtes Wetter geben. Ich befürchte, die Situation an Bord gerät dann außer Kontrolle.“ Nach einem dringenden Appell von @germandoctors-Arzt Stefan Mees wurde schlechtes Wetter erwartet: „Seit 48 Stunden warten Menschen an Bord der #SEAEYE4 auf eine Antwort der EU-Staaten. Diese Menschen sind durch die Hölle gegangen, um bei uns Schutz zu finden. Warum dauert es so lange, sie in #Sicherheit willkommen zu heißen? Wir brauchen jetzt einen sicheren Hafen!“

Am vergangenen Donnerstag war eine politische Lösung immer noch nicht in Sicht, auch wenn Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo auf Sizilien, früh seine Aufnahmebereitschaft signalisierte. Italien untersagte aber die Landung, die Reise dorthin wurde abgebrochen und der sizilianische Hafen Pozallo zugewiesen. Die Ausschiffung dort begann, wurde aber wieder abgebrochen. Einsatzleiter Jan Ribbeck warf den italienischen Einsatzkräften rassistische Kommentare und unverhältnismäßige Härte vor. Einem acht Monate alten Baby und Kleinkindern seien gegen deren Widerstand Nasenabstriche genommen worden. Das Schiff wurde angewiesen, für eine 14-tägige Quarantäne wieder aufs Meer zurückzukehren. Der Kapitän widersprach aus Sorge, dass sich die über 140 verbliebenen Menschen in ihrer Verzweiflung ins Wasser stürzen. ...

Der Vorsitzende von Sea-Eye, Gordon Isler, erklärte am Freitag, die letzten sieben Tage der Rettungsmission hätten erneut „das Versagen der EU-Staaten gezeigt“. Regelmäßig ertränken Menschen auf ihrer Flucht, Tausende würden zwangsweise „in die Bürgerkriegshölle Libyens“ zurückgeführt. „An die Einhaltung der Menschenrechte scheint in den Regierungen Europas niemand mehr zu denken“. Wenn die EU sich weiter in diese Richtung entwickle, könne man „die Genfer Flüchtlingskonvention endgültig abschreiben“, sagte Isler.

SEA-EYE 4: Die Bauweise der SEA-EYE 4 ist gut für Seenotrettungseinsätze geeignet und bietet viel Platz für die Erstversorgung geretteter Menschen. Die Krankenstation verfügt über einen modernen Standard und ist auch auf potentielle Corona-Fälle vorbereitet. Zur Durchführung von Rettungseinsätzen verfügt die SEA-EYE 4 über zwei Kräne, die die zwei schnellen Einsatzboote sicher zu Wasser lassen können. Im Einsatzfall nähern sich die Einsatzboote den Menschen in Seenot, verteilen Rettungswesten und evakuieren die seeuntüchtigen Boote.

Spenden: Sea-Eye e. V., IBAN: DE60 7509 0000 0000 0798 98, BIC: GENODEF1R01, der Zuwendungsbetrag ist als Spende steuerlich absetzbar. Im Verwendungszweck sollte die Adresse angegeben werden, bei Spendenbeträgen bis 200 € werden keine Spendenquittung benötigt, der Kontoauszug reicht in Verbindung mit der Bestätigung über die Zuwendung für das Finanzamt. Mehr: https://sea-eye.org/sea-eye-4/?neues-rettungsschiff/spende, Twitter: https://twitter.com/gorden_isler/status/1394901584732114947

Internet Sea Eye: https://sea-eye.org/. #OpenThePorts #LeaveNoOneToDie, @seaeyeorg, @United4Rescue, @germandoctors

United4Rescue - Gemeinsam Retten e.V.: Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, Spendenkonto DE93 1006 1006 1111 1111 93, KD Bank Duisburg BIC: GENODED1KDB. Geschäftsstelle: E-Mail partner@united4rescue.com, Internet: https://www.united4rescue.com

Unser Gesprächspartner: Bischof em. Michael Wüstenberg, Jahrgang 1954, stammt aus Dortmund und wuchs in Hamburg-Harburg auf. Er studierte Philosophie und Theologie in Frankfurt/Main und Freiburg. Am 5. Juni 1982 Priesterweihe in Hildesheim, 1982 bis 1987 Kaplan in Uelzen und Bremen-Nord, 1987 bis 1992 Pfarrer der Gemeinde St. Peter und Paul, Bremen-Burglesum, 1992 bis 2001 Pfarrer der Gemeinde in Sterkspruit/Südafrika und Fernstudium der Missionswissenschaften an der südafrikanischen UNISA-Universität. Von 2001 bis 2003 war er Generalvikar der Diözese Aliwal/Südafrika und hatte bis 2006 einen Lehrauftrag am Lumko-Pastoralinstitut der Bischofskonferenz des südlichen Afrika in Johannesburg/Südafrika. Von 2006 bis 2008 war er Professor für Theologie am Priesterseminar St. Johannes Vianney in Pretoria/Südafrika und wurde am 24. Februar 2008 als Bischof der Diözese Aliwal/Südafrika eingeführt, die knapp genauso groß wie ganz NRW ist. Am 1. September 2017nahm Papst Franziskus den aus gesundheitlichen Gründen erklärten Rücktritt an, Wüstenberg kehrte daraufhin nach Deutschland zurück. Als emeritierter Diözesanbischof ist er im Bistum Hildesheim seit Dezember 2020 Diözesanseelsorger für den Malteser Hilfsdienst, dem er seit seiner Jugend angehört und in dem er sich vor dem Theologiestudium als Rettungssanitäter, Zugführer und Stadtbeauftragter engagiert hatte.
Kontakt: Neue Str. 3, 31134 Hildesheim, E-Mail: michael.wuestenberg@bistum-hildesheim.de. Twitter-Kanal von Bischof Wüstenberg: https://twitter.com/BpMichaelAliwal.

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