Der Zauber isländischer Sagas

von Christof Beckmann

Donnerstag, 04.03.2021

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Bild: KiP-NRW

Vor 30 Jahren erschien sein erstes Buch, seit 15 Jahren ist er ständig gefragt: Und Rudolf Simek, Professor in Bonn, kennt sie alle, die rund 500 mittelalterlichen Sagas, die bis heute faszinieren. Aufgeschrieben haben sie damals Bischöfe und Mönche...

INFO: „Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“ - Fantasy-Literatur und -Serien stehen hoch im Kurs, auch die kanadische TV-Serie „Vikings“, die ab 2013 den legendenhaften Saga-Held Ragnar Lodbrok für viele zum Serienstar machte. Die an Machtkämpfen reiche Handlung, die in Irland gedreht wurde, spielt zu Beginn der üblicherweise mit dem Überfall auf das angelsächsische Kloster Lindisfarne in Nordengland (793) angesetzten Wikingerzeit und zeigt die Begegnung mit dem Christentum. Das Drehbuch beschrieb eine Zeit wilder Beutefahrten nach England, Frankreich und durch das Mittelmeer und fasste wesentliche Personen und Ereignisse zusammen, die den Übergang zur nordischen Staatenbildung zeigt. Die in der isländischen Ragnars saga lodbrokar überlieferte Hauptfigur gilt als Sagengestalt, die möglicherweise aus der Verschmelzung zweier verschiedener Personen entstanden ist. Mehr zur TV-Serie: https://www.history.ca/shows/vikings/

„Vikings Valhalla“: Ragnar Lodbrok erhält nun einen Nachfolger, der historisch noch sehr viel bekannter ist: Leif Eriksson, geboren in Island und aufgewachsen in Grönland, Entdecker, Rebell und einer der berühmtesten aller Wikinger, ist einer der Stars in „Vikings Valhalla“, die in 24 Folgen von MGM Television produziert wird und exklusiv im Herbst 2021 / Frühjahr 2021 auf Netflix Premiere feiern wird. Ausführende Produzenten sind Michael Hirst („Vikings“, „Die Tudors“), Jeb Stuart („Auf der Flucht“, „Stirb langsam“, „The Liberator“) und Morgan O’Sullivan („Vikings“, „Penny Dreadful“), Regie und die Produktion der ersten Folge übernimmt der Oscar-Preisträger Niels Arden Oplev. Zu den weiteren Regisseuren der ersten Staffel gehören Stephen St. Leger und Hannah Quinn. Weitere Drehbuchautoren neben Jeb Stuart sind Vanessa Alexander, Declan Croghan und Eoin McNamee.

Die wieder in Irland gedrehten Staffeln setzen etwa 100 Jahre nach dem Ende der ersten Serie ein und drehen sich um das Leben historischer Figuren wie Leif Eriksson, seine Halbschwester Freydis, Norweger-König Harald Harada und Normannenkönig Wilhelm der Eroberer. Leif Eriksson wird von Sam Corlett („Chilling Adventures of Sabrina") verkörpert, Frida Gustavson („The Witcher") spielt seine Schwester Freydis Eriksdotter. Weitere Charaktere werden von Leo Suter, Bradley Freegard, Jóhannes Jóhannesson, Laura Berlin, David Oakes und Caroline Henderson verkörpert, wieder zur Besetzung zählen aus der ersten Serie auch Pollyanna McIntosh, Asbjørn Krogh Nissen und andere Darsteller. 

Christentum in Skandinavien: Die Krieger, Heerführer, Abenteurer, ehrgeizigen Könige und starken Frauenfiguren markieren eine Zeit, in der die alte skandinavische Welt Nordeuropas mit auf die bereits christlich geprägten kontinentalen Mächte trifft. Erste Missionsbewegungen werden bereits auf das 6. und 7. Jahrhundert angesetzt. 826 lässt sich dänische König Harald Klak zwar in Mainz taufen, doch bleibt die Durchdringung mit der neuen Religion von Abwehr und langem Nebeneinander mit der alten Götterwelt gekennzeichnet. Über Dänemark erreichen die fränkische, iro-schottische und angelsächsische Mission auch Schweden und Norwegen und um das Jahr 1000 erreichen zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in den sich formierenden Königreichen ihren Höhepunkt. Nach blutigen Christenverfolgungen in Schweden gilt die Christianisierung Skandinaviens mit der Zerstörung des heidnischen Tempels von Uppsala 1087 als vorerst abgeschlossen, dazu greifen im 11. Jahrhundert sogar auch griechisch-orthodoxe und russisch-orthodoxe Einflüsse in die Region aus. Dänen, Norweger und Schweden bildeten im 12. Jahrhundert eigene Nationalkirchen, die im 12. und 13. Jahrhundert ihrerseits Wenden, Finnen und Balten christianisierten.

„Sagas aus der Vorzeit“: Bewahrt wurden Mythen und Heldengeschichten der Vorzeit in den sogenannten „Sagas“, die ursprünglich mündlich weitergegeben und seit dem 12. Jahrhundert vor allem in Island schriftlich fixiert wurden. Autoren waren Angehörige der isländischen Eliten, vor allem Kleriker, Bischöfe und Mönche, die auch durch antike und zeitgenössische Literatur auf dem Kontinent geprägt waren. Gleichwohl spielen in ihren Sagas auch Trolle, Riesen und Zwerge eine Rolle, die noch heute zum Grundbestand der Fantasy-Literatur gehören. Erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt wurden sie durch den Bonner Germanisten und Skandinavisten Prof. Rudolf Simek, der mit seinen Studenten rund 30 dieser Prosageschichten aus dem Altnordischen ins Deutsche übertragen hat. In den drei Bänden mit „Sagas aus der Vorzeit“ wimmelt es nur so von wagemutigen Wikingern, Berserkern und Trollen. Ein vierter Band ist in Vorbereitung.

Simek, Rudolf (Herausgeber), mit Valerie Broustin und Jonas Zeit-Altpeter: Sagas aus der Vorzeit. Von Wikingern, Berserkern, Untoten und Trollen, 3 Bände. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2020 (Band 1: Heldensagas, 360 Seiten, ISBN 9783520613011; Band 2: Wikingersagas, 448 Seiten, ISBN 9783520614018; Band 3: Trollsagas, 416 Seiten, ISBN 9783520615015).

Unser Gesprächspartner: Rudolf Simek, Jg. 1954, österreichischer Philologe, Skandinavist und germanistischer Mediävist an der Uni Bonn, studierte Germanistik, Philosophie und katholische Theologie. Nach Promotion 1980 und Magister der Theologie 1981 in Wien, habilitierte er sich 1990, leitete die Fachbibliothek des germanistischen Instituts und war Dozent, von 1990 bis 1995 auch Professur für Germanistik an der päpstlichen Hochschule Heiligenkreuz. Seit 1995 ist er Lehrstuhlinhaber für Ältere Germanistik an der Universität Bonn und legte zahlreiche Veröffentlichungen vor. Als Experte wirkte Simek in mehreren TV-Dokumentationen und Serien mit.

Kontakt: Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur und Kulturwissenschaft, Abteilung für Skandinavische Sprachen und Literaturen, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Am Hof 1d, 53113 Bonn, Tel. 0228 / 73 9010, Fax 0228 / 73 7479, E-Mail: simek@uni-bonn.de,  Internet

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