Psalm 139: Vertraut und Geborgen

von Dr. Wolfgang PickenDr. Wolfgang Picken

Dienstag, 31.03.2020

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Bild: Website Wolfgang Picken / www.bonner-muenster.de

Woher kommt Gelassenheit, Hoffnung und innerer Halt in diesen Zeiten? Das bewegte schon andere – nachzulesen in Psalm 139. Doch: Keine Angst vor der alten Frage nach Gott, meint Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant in Bonn. Auf einen Versuch kommt es an ...

INFO: Die aktuellen Entwicklungen schlagen jedem aufs Gemüt - viel ist zu organisieren, zu improvisieren, zugleich stellen sich auch Leerlauf und Resignation ein, Unverständnis und Protest, eine Gemengelange von widerstrebenden Gefühlen. Und vielleicht auch ein Gedanke an das, was in der Fastenzeit eh immer thematisiert wird: Runterfahren, abbremsen, reduzieren, auf Wesentliches konzentrieren, Zusammenhänge in den Blick nehmen, Lebens-Entscheidendes in den Fokus rücken. Alles, was die menschliche Natur zu bieten hat, bildet sich schon in den ältesten Gebeten der Kirche ab - den Psalmen. Klage, Unmut, Aufbegehren, Verzweiflung, Vertrauen, Hingabe und mehr, die damals zu Papier und vor Gott gebracht wurden, entsprechen auch den Gefühlslagen heute. Woher kommt heute Gelassenheit, Hoffnung und innerer Halt? Das bewegte schon andere – nachzulesen in Psalm 139. Doch: Keine Angst vor der alten Frage nach Gott, meint Wolfgang Picken, Stadtdechant in Bonn. Auf einen Versuch kommt es an ...

 

Psalm 139: Vertraut und Geborgen

„Mein Name ist Wolfgang Picken und ich bin Stadtdechant in Bonn. In schwierigen Zeiten, wie wir sie gerade erleben, wenn alles als sicher Gedachte irgendwie unsicher scheint und wir plötzlich als Menschen realisieren, wie verletzbar wir sind, spürt man schnell, wenn es an einem inneren Halt fehlt, an etwas, das bleibt. Man fragt sich dann: Was vermittelt jetzt Gelassenheit und Hoffnung?

Schnell kommt die alte Frage nach Gott und nach dem Glauben auf. Manche, die dachten, schon lange damit abgeschlossen zu haben, werden jetzt erschrocken vor sich selber stehen und fürchten, sie werden religiös. Aber warum sich von dem fürchten was helfen und tragen kann? Warum stattdessen sich nicht auf das einlassen, wo ich in die Seele einen führen will? Und eine neue Erfahrung damit machen, was es heißt, sich fallen lassen zu können - ohne hinzufallen.

Dieses wunderbare Gefühl beschreibt schon der Psalm 139: Welch große Vertrautheit! „Ob ich gehe oder liege - du siehst mich, Gott. Mein ganzes Leben ist dir vertraut.“ Wie schön auch dieses Gefühl der Geborgenheit: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine schützende Hand über mir.“ Und dann dieses Vertrauen: Immer getragen zu sein: „Wie könnte ich mich dir entziehen? Wohin könnte ich fliehen ohne dass du mich siehst? Stiege ich in den Himmel hinauf - du bist da. Wollte ich mich im Totenreich verbergen - auch dort bist du. Eilte ich dorthin wo die Sonne aufgeht oder versteckte ich mich im äußersten Westen, wo sie untergeht, dann würdest du auch dort mich finden und nicht mehr loslassen.“

Warum sollte man auf diesen Halt verzichten? Versuchen Sie es.

Wolfgang Picken von der katholischen Kirche für Augenblick mal“

 

Psalm 139: Der Text (Einheitsübersetzung 2016)

Leben in Gottes Allgegenwart

1 Für den Chormeister. Von David. Ein Psalm. HERR, du hast mich erforscht und kennst mich. 2 Ob ich sitze oder stehe, du kennst es. Du durchschaust meine Gedanken von fern. 3 Ob ich gehe oder ruhe, du hast es gemessen. Du bist vertraut mit all meinen Wegen. 4 Ja, noch nicht ist das Wort auf meiner Zunge, siehe, HERR, da hast du es schon völlig erkannt. 5 Von hinten und von vorn hast du mich umschlossen, hast auf mich deine Hand gelegt. 6 Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen, zu hoch, ich kann es nicht begreifen. 7 Wohin kann ich gehen vor deinem Geist, wohin vor deinem Angesicht fliehen? 8 Wenn ich hinaufstiege zum Himmel - dort bist du; wenn ich mich lagerte in der Unterwelt - siehe, da bist du. 9 Nähme ich die Flügel des Morgenrots, ließe ich mich nieder am Ende des Meeres, 10 auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte mich ergreifen. 11 Würde ich sagen: Finsternis soll mich verschlingen und das Licht um mich soll Nacht sein! 12 Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag, wie das Licht wird die Finsternis. 13 Du selbst hast mein Innerstes geschaffen, hast mich gewoben im Schoß meiner Mutter. 14 Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin. Ich weiß es genau: Wunderbar sind deine Werke. 15 Dir waren meine Glieder nicht verborgen, als ich gemacht wurde im Verborgenen, gewirkt in den Tiefen der Erde. 16 Als ich noch gestaltlos war, sahen mich bereits deine Augen. In deinem Buch sind sie alle verzeichnet: die Tage, die schon geformt waren, als noch keiner von ihnen da war. 17 Wie kostbar sind mir deine Gedanken, Gott! Wie gewaltig ist ihre Summe! 18 Wollte ich sie zählen, sie sind zahlreicher als der Sand. Ich erwache und noch immer bin ich bei dir. 19 Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, weicht von mir! 20 Sie nennen dich in böser Absicht, deine Feinde missbrauchen deinen Namen. 21 Sollen mir nicht verhasst sein, HERR, die dich hassen, soll ich die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? 22 Ganz und gar sind sie mir verhasst, auch mir wurden sie zu Feinden. 23 Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken! 24 Sieh doch, ob ich auf dem Weg der Götzen bin, leite mich auf dem Weg der Ewigkeit!

 

Unser Gesprächspartner: Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn und Pfarrer am Bonner Münster, Jahrgang 1967, studierte in Bonn, Rom und Köln Katholische Theologie, Philosophie sowie Politik- und Sozialwissenschaften. Er war Seminarist im römischen „Collegium Germanicum et Hungaricum“, war tätig bei Radio Vatikan und wurde nach Diakonat in Siegburg 1993 zum Priester geweiht. Nach Stellen als Kaplan in den Pfarreien St. Nikolaus, Bensberg und St. Joseph, Moitzfeld in Bergisch Gladbach wurde er 2004 in Politikwissenschaften promoviert und übernahm die Pfarrei der Katholischen Kirchengemeinde St. Andreas und Evergislus in Bonn-Bad Godesberg. Im sogenannten „Rheinviertel“ gründete er 2005 die „Bürgerstiftung Rheinviertel“, mit mehr als 1.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern eine der größten Bürgerstiftungen Deutschlands. Zahlreiche soziale Projekt, wie ein Kindergartennetzwerk mit vierzehn Kindertagesstätten, konnten seit der Gründung umgesetzt werden. 2008-2016 war Dr. Picken Dechant des Dekanats Bad Godesberg 2012, übernahm zudem die Pfarren St. Marien und St. Servatius, St. Martin und Severin, gründete 2015 den „Runden Tisch Flüchtlingshilfe Bad Godesberg“ und wurde 2019 als Stadtdechant von Bonn und Pfarrer der Münsterbasilika St. Martin zu Bonn eingeführt. Er ist Vorsitzender des Caritasrates Bonn, Vorstandsmitglied der „Münsterstiftung Bonn“ und Delegierter des Priesterrates im Erzbistum Köln für den synodalen Weg der Katholischen Kirche in Deutschland.

Kontakt: Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant, Stadtdekanat Bonn, Tel. 0228/98588-93, E-Mail: Stadtdekanat@kath-bonn.de, Internet: Katholisch-bonn.de.

Dienstag, 31.03.2020 / Dr. Wolfgang PickenDr. Wolfgang Picken