Die Geschichte von Seef Jacob

von Carsten Griese

Donnerstag, 27.01.2022

Gang im Holocaustmahnmal in Berlin
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Erinnerungen sind wichtig

Heute ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Am 27. Januar 1945 befreiten die Alliierten das Konzentrations- und Todeslager Auschwitz-Birkenau. Die Erinnerung muss wachgehalten werden. Auch durch viele einzelne Geschichten:

Er hat einen neuen Namen angenommen als er in Israel ankam: Seef Jacob. Wir treffen ihn in einem Kibbuz in der Nähe von Haifa, in dem er schon als 16jähriger Jugendlicher gelebt hat. Dieser Kibbuz ist sein Zuhause geworden. Hier hat er seine Frau kennengelernt, hier wuchsen seine Kinder auf. Seef erzählt von seinem Leben im Kibbuz. Er erinnert sich, wie er Hebräisch lernte und das Land um den Kibbuz herum bewirtschaftet wurde. Erst entstand eine Ziegelfabrik, später finanzierte sich der Kibbuz durch landwirtschaftliche Produkte und die erste israelische Fabrik für Fernsehgeräte.

Er ist über 89 Jahre alt, als wir ihn treffen. Körperlich und geistig ist er noch voll auf der Höhe. Und dann erinnert er sich an seine Jugend in Deutschland und seine Eltern. Seine Stimme wird brüchig. In Deutschland hieß er Willy Jacob. Er wuchs in Berlin mit seinen Eltern und den älteren Geschwistern auf. Doch hier gab es keine Zukunft für ihn. Seine Eltern organisieren mit Hilfe einer jüdischen Organisation die Ausreise aus Deutschland.

Seef Jacob erinnert sich: „Wir stehen am Bahnsteig neben dem wartenden Zug. Die Zeiger der großen Uhr rücken unbarmherzig vorwärts. Wir müssen Abschied nehmen. Die Eltern weinen. Wir halten die Tränen zurück, um stark zu erscheinen. Wir steigen ein und lehnen uns an die Wagenfenster. Die Uhr zeigt die genaue Zeit. Ein Pfiff der Lokomotive, und mit deutscher Pünktlichkeit ruckt der Zug an. Ein letztes Winken und die Bahnstation mit unseren Eltern versinkt im Schatten der Nacht. Wir bleiben alleine mit dem dunklen Gefühl, dass es ein Abschied für immer ist.“

Seef hat seine Eltern nach der Flucht aus Deutschland nie wieder gesehen. Sie schreiben sich eine zeitlang, dann kommen keine Briefe mehr. Seine Eltern haben sich in Deutschland umgebracht, um so der Deportation in ein KZ zu entgehen. Etwa 7200 jüdische Kinder können - wie Seef - aus Deutschland nach Israel fliehen.

Heute ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust 2022. Und solche Geschichten wie die von Seef müssen heute und immer wieder erzählt werden.

Donnerstag, 27.01.2022