Maria aus dem Dschungel
Freitag, 10.07.2015
Ein auf Kupfer gemaltes Bild in der Essener St. Ignatius-Kirche ist Teil einer dramatischen Geschichte. Es begleitete Jesuiten in die südamerikanischen Ordensgründungen und in die unterirdischen Kerker von Lissabon ...
INFO: Papst Franziskus, seit Sonntag auf seiner 2. Lateinamerikareise durch Ecuador und Bolivien, erreicht heute Abend Paraguay. Bis Sonntag trifft er den Präsidenten der Republik, das Diplomatische Corps, Bischöfe, Priester, Diakone und Ordensleute, er besucht ein Kinderkrankenhaus, das Marienheiligtum von Caacupe und spricht im Stadion Leon Condou. Auf dem Programm stehen eine Begegnung mit den Bewohnern des Armenviertels Banado Norte, eine Messfeier und ein Großtreffen mit Jugendlichen. Hier hätte er mit dem Hinweis auf die frühe Staatenbildung der Jesuiten am Rio Parana gute Gelegenheit, an eine der großen Sozialutopien der Kirchengeschichte zu erinnern. Denn Paraguay steht in engster Beziehung mit dem wohl dramatischsten Kapitel der Ordensgeschichte, das 1773 in ein päpstliches Verbot der Jesuiten durch seinen Vorgänger Papst Clemens XIV. mündete.
Zeugnis für diese Geschichte ist das
Marienbild der „Mutter mit dem geneigten Haupt“, das auf verschlungenen Wegen
aus Südamerika in die Essener St. Ignatius-Kirche kam und noch heute Ziel von
vielen Gläubigen ist. Das nach alten Vorlagen entstandene Gnadenbild fand vor
allem im süddeutschen Raum weite Verbreitung. Einen solchen Kupferstich erhielt
der 1721 in Amberg (Oberpfalz) geborene Martin Schwarz zu seiner ersten
Messfeier. Das Bild begleitete ihn aus seiner bayerischen Heimat in die seit
bestehende 1549 Jesuiten-Mission im brasilianischen Amazonasgebiet. Am 2. Juni
1753 stach das Schiff von Lissabon in See, nach anderthalb Monaten legte es am
16. Juli in São Luis do Maranhão an. Er reiste weiter stromaufwärts und
erreichte am 26. August seine missionarische Wirkungsstätte Guaricurú. Auf der
benachbarten Station Araticú machte Pater Schwarz 1755 seine Exerzitien und
band sich am 16. September durch seine letzten Gelübde endgültig an den
Jesuitenorden.
1757 entbrannte gegen den Orden in den
europäischen Ländern, vor allem in Frankreich, Spanien und Portugal, ein
heftiger Kampf. Als Träger vieler Bildungseinrichtungen und Universitäten
sollten die Jesuiten und damit auch der Einfluss des Papstes aus dem
öffentlichen Leben verbannt werden. Besonders konsequent erwies sich der
portugiesische Minister Carvalho e Melo (Marquis de Pombal), der 1759 die
Enteignung und Gefangennahme der Jesuiten in Portugal und den portugiesischen
Kolonien erwirkte. Die Ordensbrüder aus der Amazonas-Mission in Brasilien
wurden zunächst im Ordenskolleg in Pará interniert und ab September 1760 nach
Europa gebracht. Es war das Ende langjähriger Evangelisierung in den
staatsähnlichen sogenannten „Jesuiten-Reduktionen“ in Südamerika, die ab 1756
in einem Blutbad der Kolonialarmeen untergingen.
17 Jahre lebten die
Jesuiten ohne Verhör und Gerichtsverfahren in Festungshaft in fast völliger Dunkelheit
in den nassen unterirdischen Zellen der Inselfestung Sao Julian an der
nördlichen Seite der Tejo-Mündung. Unter ihnen Pater Martin Schwarz mit dem
Gnadenbild der „Mutter mit dem geneigten Haupt“. Nach Gebetserhörungen erhoben
die Jesuiten das Gnadenbild zum Altarbild. Als Papst Clemens XIV. 1773 auf
Drängen der staatlichen Mächte den Jesuitenorden aufhob, blieben die Gefangenen
dem Ordensgelübde treu, obwohl ihnen das persönliche Bekenntnis zum Austritt
Freiheit und Entlassung verschafft hätte. Von den 124 Gefangenen wurden 33
später in den Kirchenstaat nach Italien abgeschoben, 9 erlangten durch die
Bemühungen ihrer Regierungen die Freiheit, 37 starben im Kerker, die restlichen
45 erlebten 1777 nach dem Sturz Pombals ihre Befreiung und Rückkehr in ihre
Heimatländer. Das Gnadenbild kam über Amberg, Eichstätt, Regensburg, Feldkirch
und Köln am 1. Mai 1936 in die seit 1562 bestehende Jesuitenniederlassung in
Essen. Adresse:
Literatur: Karl-Joseph
Klinkhammer SJ, Licht in der Nacht, Ein Gnadenbild aus der Zeit der Aufhebung
des Jesuitenordens, Frankfurt 1959; Bernhard van Acken SJ, Jesuiten im Kerker
1759-1777, Der Weg des Gnadenbildes der „Mutter mit dem geneigten Haupt“,
Leutesdorf 1962; Rudolf Meck, Amberger Treue, Das Schicksal des Jesuitenpaters
Martin Schwarz, Amberger Information 1984; John W. O'Malley: Eine kurze
Geschichte der Jesuiten, echter Verlag, Würzburg 2015, 168 S., 14,90 Euro.
Mehr: http://www.adveniat.de/lateinamerika/laenderinformation/suedamerika/paraguay/paraguay-rr/bericht1-paraguay.html, www.jesuiten.de.