Was ist der Mensch wert?

von Dr. Christof M. Beckmann

Samstag, 07.02.2015

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Bild: pixabay

Am 8. Februar vor 200 Jahren gab es beim Wiener Kongress die erste internationale Vereinbarung gegen die Sklaverei. Jetzt wird am Sonntag rund um die Welt erstmals ein Internationaler Tag des Gebets und der Aktion gegen den Menschenhandel begangen ...

INFO: 32 Milliarden Euro – so hoch ist der geschätzte jährliche Umsatz von Schleppern und Menschenhändlern weltweit. Offizielle Angaben sprechen von rund 21 Millionen, die als Opfer des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, der Zwangsarbeit und des Organhandels versklavt werden, für häusliche Dienste, in eine Zwangsehe, zur illegalen Adoption und anderen Formen der Ausbeutung. Jedes Jahr kommen rund 2,5 Millionen Menschen als Opfer dazu: Nach dem 2010 veröffentlichten Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) steigt die Anzahl der Sklaven; demnach gibt es allein rund 140.000 Sklaven in Europa. 

Das Thema wird Papst Franziskus sicher am Sonntag bei seiner öffentlichen Ansprache nach dem Angelus am Mittag aufgreifen – wie oft zuvor. Denn erstmals wird am 8. Februar rund um die Welt ein Internationaler Tag des Gebets und der Reflexion gegen den Menschenhandel begangen - am Fest der sudanesischen Sklavin Josephine Bakhita. Sie war nach ihrer Freilassung Ordensschwester und wurde im Jahr 2000 heiliggesprochen. Die Initiative wurde vom Päpstlichen Rat für Migranten in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden und den Internationalen Vereinigungen der Ordensoberen der Männer- und Frauenorden (UISG e USG) auf den Weg gebracht.


Zugleich jährt sich am 8. Februar die erste internationale Vereinbarung gegen die Sklaverei beim Wiener Kongress 1815 - vor genau 200 Jahren. Damals wurde der Verkauf von Sklaven nicht nur nach Stückzahl berechnet, sondern nach Tonnen. Die Ächtungserklärung änderte unmittelbar wenig: Der Handel nahm zunächst sogar zu - obwohl die Hauptbeteiligten in England ihn schon Jahre zuvor verboten hatten. Pro Jahrzehnt wurden deutlich über 800.000 Afrikaner in die Neue Welt verkauft, gegen den massiven Widerstand kirchlicher Kreise - auch in Amerika.

Schon vor fast 500 Jahren, am 9. Juni 1537, hatte Papst Paul III. (1534-1549) in seiner Bulle „Sublimis Deus“ jede Form von Sklaverei verboten. Das Schreiben – oft als eine „Magna Charta des Völkerrechts“ bezeichnet, verurteilte die „teuflische Habsucht“ der Sklavenhalter und –händler, erklärte ihr Handeln mit allem Nachdruck, gegen allen Widerstand und für alle Zukunft für nicht erlaubt. Auch vor 200 Jahren mischte sich der Papst in die Debatten, geißelte den „schändlichen Handel“, der nur zur Ausbreitung der Arbeitskraft diene und sie vielfach dem Tod aussetze.

Papst Franziskus unterzeichnete im Dezember vergangenen Jahres mit Spitzenvertretern der Weltreligionen im Vatikan eine Erklärung gegen Menschenhandel. Darin verurteilten sie Menschenhandel als „Verbrechen gegen die Menschheit“ und als moderne Form der Sklaverei. Ebenso verdammen sie Zwangsarbeit, Zwangsprostitution und Organhandel. Alle Staaten müssten dagegen vorgehen. Die Religionsführer verpflichteten sich zugleich, Gläubige und „Menschen guten Willens“ zu mobilisieren. Ziel sei, die „moderne Sklaverei weltweit bis 2020 und für alle Zeiten abzuschaffen“. 

DIE GEMEINSAME ERKLÄRUNG DER VERTRETER DER WELTRELIGIONEN GEGEN DIE MODERNE SKLAVEREI

We, the undersigned, are gathered here today for a historic initiative to inspire spiritual and practical action by all global faiths and people of good will everywhere to eradicate modern slavery across the world by 2020 and for all time.

In the eyes of God, each human being is a free person, whether girl, boy, woman or man, and is destined to exist for the good of all in equality and fraternity. Modern slavery, in terms of human trafficking, forced labour and prostitution, organ trafficking, and any relationship that fails to respect the fundamental conviction that all people are equal and have the same freedom and dignity, is a crime against humanity.

We pledge ourselves here today to do all in our power, within our faith communities and beyond, to work together for the freedom of all those who are enslaved and trafficked so that their future may be restored. Today we have the opportunity, awareness, wisdom, innovation and technology to achieve this human and moral imperative.

 

Übersetzung (KIP): Wir, die Unterzeichner, haben uns heute zu einer historischen Initiative versammelt, um über alle Weltreligionen und Menschen guten Willens hinweg einen spirituellen und praktischen Anstoß zu geben, die moderne Sklaverei überall auf der Welt bis 2020 und für alle Zeiten zu beseitigen.

In den Augen Gottes ist jeder Mensch ist eine freie Person, ob Mädchen, Junge, Frau oder Mann, und zu einem Leben für das Allgemeinwohl aller in Gleichheit und Brüderlichkeit bestimmt. Moderne Sklaverei in Form von Menschenhandel, Zwangsarbeit und Prostitution, Organhandel und in jeder Weise, die der grundlegenden Überzeugung widerspricht, dass alle Menschen gleich sind und dieselbe Freiheit und Würde teilen, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wir verpflichten uns hier und heute, in unseren Glaubensgemeinschaften und darüber hinaus alles in unserer Macht stehende zu tun, um für die Freiheit aller zusammenzuarbeiten, die versklavt und verschleppt sind, damit sie wieder eine Zukunft gewinnen. Um dieses menschliche und moralische Gebot umzusetzen, haben wir heute alle Möglichkeiten, Bewusstsein, Weisheit, Mittel und Technologie.

Pope Francis / Her Holiness Mata Amritanandamayi (Amma) / Venerable Bhikkhuni Thich Nu Chan Khong (representing Zen Master Thích Nhất Hạnh) / The Most Ven. Datuk K Sri Dhammaratana, Chief High Priest of Malaysia / Rabbi Dr. Abraham Skorka / Rabbi Dr. David Rosen / Dr. Abbas Abdalla Abbas Soliman, Undersecretary of State of Al Azhar Alsharif (representing Mohamed Ahmed El-Tayeb, Grand Imam of Al-Azhar) / Grand Ayatollah Mohammad Taqi al-Modarresi / Sheikh Naziyah Razzaq Jaafar, Special advisor of Grand Ayatollah (representing Grand Ayatollah Sheikh Basheer Hussain al Najafi) / Sheikh Omar Abboud / Most Revd and Right Hon Justin Welby, Archbishop of Canterbury / His Eminence Metropolitan Emmanuel of France (representing His All-Holiness Ecumenical Patriarch Bartholomew)

Zur Unterschriftenaktion: http://www.globalfreedomnetwork.org/

Die zum Welttag des Friedens am 1. Januar 2015 veröffentlichte Arbeitshilfe Nr. 270 „Nicht länger Sklaven, sondern Brüder und Schwestern“ ist über die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) kostenlos als Download abrufbar: http://www.dbk-shop.de/de/deutsche-bischofskonferenz/arbeitshilfen/nicht-laenger-sklaven-sondern-brueder-schwestern-welttag-friedens-2015.html
Samstag, 07.02.2015