125 Jahre Brandts-Kapelle

von Christof Beckmann

Samstag, 02.10.2021

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Die Brandts-Kapelle - St. Aloysius in Mönchengladbach-Waldhausen, v.l.: Hans-Werner Quasten, Schwester Luzia und Saskia Derichs, Fotos: Mario Brumbi

Morgen wird sie nach großer Renovierung wieder eröffnet: Die sogenannte Brandts-Kapelle St. Aloysius in Mönchengladbach. Eine von 24.000 katholischen Kirchen bundesweit, erst 125 Jahre alt, aber ein Denkmal – auch für die Geschichte des ganzen Landes. ...

INFO: Die aus Backstein in neugotischen Formen errichtete Kapelle „Zum hl. Aloysius“ in 41068 Mönchengladbach-Waldhausen, Rudolfstraße 7-9, wird nach ihrem Stifter auch „Brandts-Kapelle“ genannt. Sie wurde im Gedenken an den 1889 im Alter von 21 Jahren an Tuberkulose verstorbenen Sohn des Fabrikanten Franz Brandts gebaut, der Regierungsbaumeister Anton Peter Neu für den Bau auf dem damaligen Fabrikgelände beauftragte. Die erste Messe zur Einweihung am 4. Oktober 1896 feierte Prof. Franz Hitze, der für den Altar eine Reliquie des Hl. Aloysius aus Rom mitbrachte. Er war mit dem Textilunternehmer Franz Brandts eng verbunden, der in seinem Betrieb zahlreiche soziale Standards verwirklichte. Durch sie wurde Mönchengladbach zur Wiege des „sozialen und politischen Katholizismus“: Mit der 1885 veröffentlichten Fabrikordnung wurde Kinderarbeit abgeschafft, es gab höhere Löhne für geringere Arbeitszeit, es wurden eine Krankenversicherung, Sterbegeld und Mitbestimmungsrechte, Weiterbildungs- und Kulturprogramme für Arbeiterinnen und Arbeiter eingeführt. Brandts gründete eine Darlehnskasse, Bücherei, Betriebsküche, Kindergarten und Nähschule und baute Wohnungen, die seine Arbeiter günstig erwerben konnten.

Brandts, Hitze und der Volksverein: Franz Brandts (1834-1914), der nach einer Studienreise in England 1863 zwei Jahre später als erster den mechanischen Webstuhl in der damaligen Textilstadt eingeführt hatte, wurde 1880 Vorsitzender des durch den Verband katholischer Industrieller und Arbeiterfreunde gegründeten Vereins „Arbeiterwohl“, dessen Mitglieder aus den katholisch geprägten Städten an Rhein und Ruhr sowie in Westfalen stammten. Zu dessen Generalsekretär berief er den jungen Priester Franz Hitze (1851-1921). Aus ihm entstand unter maßgeblicher Beteiligung der Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst und Franz von Ballestrem 1890 der „Volksverein für das katholische Deutschland“. Er richtete seine Zentrale in Mönchengladbach in der heutigen Windthorststraße ein, formulierte die Leitideen für christliche Sozialarbeit, entfaltete eine rege publizistische Tätigkeit, eine breit angelegte Erwachsenenbildung und förderte die Entwicklung von zahlreichen sozialgesetzgeberischen Maßnahmen, von denen viele zur Basis für heute geltende Sozial- und Arbeitsschutzgesetze wurde. Der Massenverein regte die Gründung von Arbeitervereinen christlichen Gewerkschaften und Handwerkerverbänden an. Sie nahmen die Schulungen, Kurse und Lehrgänge wahr, die dem Verein den Namen „Mönchengladbacher Galopp-Universität“ eintrugen. Zahlreiche Vertreter der katholischen Verbände bildeten ein großes Netzwerk und stiegen bis in hohe politische Funktionen auf. Der Volksverein erreichte bis zu seinem Verbot durch die Nationalsozialisten eine Größe von über 800.000 Mitgliedern in mehr als 6.000 Ortsgruppen in Deutschland. Mehr: Hunger, Armut, Soziale Frage. Sozialkatholische Ordnungsdiskurse im Deutschen Kaiserreich 1871-1918. Reihe: Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Band: 136, Schöningh 2019 ISBN: 9783657792726.

125-jährigen Weihejubiläum der Brandts-Kapelle: Die Kapelle, um die herum dies alles entstand, steht seit 1987 in der Denkmalliste der Stadt Mönchengladbach und gilt aus architektonischen wie stadt- und sozialhistorischen Gründen als denkmalwürdig. Im Januar 2019 begann eine umfassende Sanierung, für die 1,6 Millionen Euro aufgewandt wurden und die nach über zwei Jahren abgeschlossen wurde. Die erste Eucharistiefeier wird am 3. Oktober 2021 sein. Zum Jubiläum erscheint eine umfangreiche Broschüre, die den denkmalgeschützten Kapellenbau vorstellt, die Geschichte bis zur jüngsten Sanierung erzählt und ausführlich über das Konzept der sozialen Arbeit in der Kapelle und im TaK Auskunft gibt.

Volksverein Mönchengladbach: 1983 gründete sich in Anlehnung an die Tradition des historischen „Volksverein für das katholische Deutschland“ die Initiative „Volksverein Mönchengladbach - gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit mbH“. Das unter Ägide von Pfarrer Edmund „Eddi“ Erlemann entstandene Sozialunternehmen steht unter dem Motto „Teilen macht reich - Verantwortung leben“ und ermöglicht seitdem Langzeitarbeitslosen die (Wieder-) Eingliederung und Teilhabe in Gesellschaft und Arbeitswelt. Dazu dienen Angebote in den Bereichen Secondhand, bei der nachhaltigen Wiederverwertung von Gebrauchsgütern (Möbel, Elektrogeräte, Hausrat, Bücher, Handys, CDs, Schuhe und Kleidung), die Produktion von eigenem Rapsöl, eine Schreinerei für den Bau von Einrichtungsgegenständen in sozialen Einrichtungen, aber auch Dienstleistungen wie ein Entrümplungsservice, der Betrieb zweier Schulkioske an Berufskollegs und die Organisation von Beerdigungskaffees an der Grabeskirche St. Elisabeth. Derzeit bietet der Volksverein etwa 180 Frauen und Männern in zahlreichen Arbeitsbereichen Angebote, um sich in Arbeit zu qualifizieren und auf eine Integration in Gesellschaft und Arbeitswelt vorzubereiten. Geschäftsbericht 2020 hier zum Download. Kontakt: „Volksverein Mönchengladbach" gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit mbH“, Geistenbecker Str. 107, 41199 Mönchengladbach, vertreten durch: Hermann-Josef Kronen, Wilfried Reiners, Matthias Merbecks, Gesellschafter: Förderverein Stiftung Volksverein Mönchengladbach e.V. - Kirchplatz 11, 41061 Mönchengladbach, und Verein Wohlfahrt Mönchengladbach e.V. - Kirchplatz 11, 41061 Mönchengladbach, E-Mail: betrieb@volksverein.de, Tel. 02166 / 671160 0, vor Ort: Geistenbecker Straße 107, 41199 Mönchengladbach, Internet: https://www.volksverein.de/

Stiftung Volksverein Mönchengladbach: Die im Februar 1997 gegründete Stiftung ist das Dach für die Zusammenarbeit mehrerer sozialer Akteure: In ihr arbeiten der „Volksverein Mönchengladbach - gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit mbH“, der Verein „Wohlfahrt” e.V. als Träger verschiedener sozialer Einrichtungen, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung im Bistum Aachen e.V. und die Region Mönchengladbach im Bistum Aachen zusammen. Kontakt: Förderverein Stiftung Volksverein Mönchengladbach e.V., Vorsitzender: Hans-Werner Quasten, Kirchplatz 11, 41061 Mönchengladbach, Büro (Mo-Do) Tel. 021 61/80 98 85, Geschäftsführer: Johannes Eschweiler, E-Mail: johannes.eschweiler@stiftung-volksverein.de, Internet: https://treff-am-kapellchen.de/die-stiftung. Spendenkonto: Förderverein Stiftung Volksverein Stadtsparkasse Mönchengladbach, IBAN: DE33|3105|0000|0003|1808|25, Kennwort: Die Brandts Kapelle soll leben

Das „TaK“: 2003 riefen die Steyler Missionsschwestern zusammen mit Pfarrer Edmund Erlemann (1935-2015) und der Stiftung Volksverein den „Treff am Kapellchen“ (TaK) an der Brandts-Kapelle ins Leben. Seitdem gestalten die Steyler Missionsschwestern mit den Menschen, denen dieser Treffpunkt ein Zuhause geworden ist, die zahlreichen Angebote und leben mit ihnen die Gemeinschaft. Kontakt: Treff am Kapellchen, Rudolfstr. 7, 41061 Mönchengladbach, Tel. 021 61 / 912 613, Leiterin: Sr. Luzia Schmuki, E-Mail: luzia.schmuki@stiftung-volksverein.de, E-Mail: moenchengladbach@ssps.de, Internet: www.treff-am-kapellchen.de, Facebook. Steyler Missionsschwestern: https://www.steyler-missionsschwestern.de

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