Brasilien und die Pandemie

von Stefan Klinkhammer

Mittwoch, 08.07.2020

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Bischof Johannes Bahlmann - Foto: Bischöfliche Pressestelle / Gudrun Niewöhner

Der deutschstämmige brasilianische Bischof Bernard Johannes Bahlmann kritisiert scharf den Corona-Kurs von Präsident Jair Messias Bolsonaro. „Wir haben derzeit mit Bolsonaro einen Präsidenten, der spaltet“, sagt der in Münster geweihte Bischof...

INFO: Der deutschstämmige brasilianische Bischof Bernard Johannes Bahlmann hat den Corona-Kurs von Präsident Jair Messias Bolsonaro scharf kritisiert. „Wir haben derzeit mit Bolsonaro einen Präsidenten, der spaltet“, sagte er im Podcast „Mit Herz und Haltung“ (https://lebendig-akademisch.podigee.io/23-brasilien) der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Seit der Pandemie habe sich die Situation „gravierend verschlechtert“, so der Bischof des Urwaldbistums Obidos im Amazonasgebiet. „Das ist nicht nur eine Corona-Krise, sondern auch eine politische Krise, die sich hier durch das Land zieht, und das macht alles nur noch viel schwieriger.“
Das Vertrauen der Bürger in die Staatsführung sei „total weg“, so der Bischof. „Es ist wie auf einem Schiff ohne Kapitän.“ Zudem sieht der aus Niedersachsen stammende Bahlmann Brasiliens internationales Image stark beschädigt: „Dass eine Isolierung auf Weltebene stattfinden kann, kann ich mir vorstellen, vor allem auch wirtschaftlich.“ Bahlmann beklagte ein „Informations-Chaos“, das eine große Verunsicherung in der Bevölkerung darüber ausgelöst habe, was noch wahr sei: „Etwa dadurch, dass der Präsident etwas sagt, und das Gegenteilige wird dann vom Gesundheitsminister gesagt.“ Bolsonaro hatte das Virus mehrfach als „eine leichte Grippe“ bezeichnet. „Man kann immer nur wieder auf die Gefahr von Corona hinweisen, und dass die Menschen sich an Schutzmaßnahmen halten“, so Bahlmann, der dazu unter anderem täglich eigene Videoclips produziert. Da die katholische Kirche in Brasilien über viele Radio- und Fernsehsender verfüge oder auf Facebook aktiv sei, könne sie wirksam agieren. „Insgesamt sind wir derzeit sehr präsent in den Medien“, so der Bischof. In Brasilien starben bereits über 50.000 Menschen am Coronavirus, der weltweit zweithöchste Wert nach den USA. Die Zahl der Infektionen im Land liegt aktuell bei mehr als 1,1 Millionen. 

Medikamente und Schutzkleidung mit Geld aus dem Bistum Münster
Das Bistum Münster hat in der Corona-Krise 100.000 Euro Soforthilfe zum Aufbau einer Intensivstation in Brasilien zur Verfügung gestellt. Unterstützt wird ein Krankenhaus der Franziskaner im unteren Amazonasgebiet. Von dem Geld wurden medizinische Geräte für die Hospitäler mitfinanziert, aber auch Arzneimittel sowie Hygieneartikel und Schutzkleidung gekauft. Das Krankenhausschiff „Papa Francisco“ kann so ausgestattet die Dörfer im Hinterland des Amazonas erreichen, in denen Arme, Kranke und Alte leben. 
Doch nicht nur die medizinische Versorgung der Menschen treibt den Bischof um. Durch den Ausbruch des Virus haben viele ihre Arbeit verloren: „Ihnen fehlt jetzt das Geld, um sich etwas zu essen zu kaufen.“ Rücklagen haben sie nicht, weil das, was sie verdienen, auch sonst nur so gerade eben reicht. Bahlmann organisiert für die Betroffenen gemeinsam mit den Franziskanern von der Vorsehung Gottes (verantwortlich für die Hospitäler und Krankenhausschiff), der Caritas und der sozialen Pastoral Lebensmittelpakete.

Unser Gesprächspartner: Pater Johannes Bahlmann OFM, geboren am 10. Dezember 1960 in Visbek im Bistum Münster, ist Franziskaner und römisch-katholischer Bischof von Óbidos im Bundesstaat Pará im Nordosten Brasiliens. Er plädierte bei einem Besuch in seiner Heimat für eine stärkere Bewusstseinsbildung für die Bedeutung und Zukunft des Regenwaldes am Amazonas. Die derzeitigen Waldbrände seien außer Kontrolle und „aus wirtschaftlichen und politischen Interessen“ teilweise absichtlich gelegt worden, hätten einen großen Schaden für Brasilien, für das Klima in der Region am Amazonas und in Südamerika, aber auch globale Auswirkungen. Bahlmann studierte nach der landwirtschaftlichen Ausbildung in Friesoythe und Visbek Agraringenieurwesen, arbeitete in den USA und schloss sich in Brasilien 1983 der Ordensgemeinschaft der Franziskaner an. Nach Studium der Theologie und Philosophie legte er 1991 die Profess ab und wurde 1997 zum Priester geweiht. Ab 2001 war er Leiter der Franziskanerprovinz der Unbefleckten Empfängnis in São Paulo sowie die Koordination der franziskanischen Sozialwerke SEFRAS in São Paulo, wurde 2009 von Papst Benedikt XVI. zum Prälaten von Óbidos ernannt und empfing die Bischofsweihe im St.-Paulus-Dom zu Münster. Seit Erhebung der Territorialprälatur zum Bistum am 9. November 2011 ist er dessen erster Diözesanbischof. Das dünn besiedelte Bistum Óbidos ist halb so groß wie Deutschland und zählt rund 30 hauptamtliche Priester. Viele Gemeinden werden deshalb von ehrenamtlichen Laien geleitet. Um dem Sendungsauftrag gerecht zu werden, seien im Amazonasgebiet neue Wege und Formen für das christliche Leben notwendig, ist Bahlmann überzeugt.

Mehr zum Bistumhttp://www.partnerschaft-obidos.bistum-wuerzburg.de/index.html

Mittwoch, 08.07.2020