Meurer macht´s: Currywurst und Kirche

von Stefan Klinkhammer

Donnerstag, 09.07.2020

Bild: Buchtitel/Herder
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Der Kölner Pfarrer Franz Meurer beweist immer wieder, dass mit gutem Willen mehr geht als gedacht. In seinem neuen Buch schreibt er über viele Sozialprojekte in seiner Gemeinde. Ein Buch-Tipp für die Sommerferien...

INFO: Jeden Tag eine gute Tat. Wer das neue Buch des Kölner „Sozialpfarrers“ Franz Meurer liest, kommt schnell auf den Gedanken, dass sich der 68-Jährige voll und ganz diesem Satz verschrieben hat. Seit 1992 leitet er die katholische Gemeinde in den Problemstadtteilen Höhenberg und Vingst. In dieser Zeit bauten Meurer und seine Mitstreiter etliche Sozialprojekte auf, darunter eine der größten Ferienfreizeiten für benachteiligte Kinder Deutschlands. Bekannt geworden ist der Pfarrer vor allem für seine Anpacker-Mentalität. So entfernte er Wahlplakate einer rechtsextremen Partei und wurde dafür angezeigt. Er hielt eine Kollekte für den Bau der Kölner Zentralmoschee. Er ließ einen Spritzenautomaten für Drogenabhängige an seiner Kirche anbringen. In knapp 30 Jahren sorgte Meurer für etliche Schlagzeilen, Verbündete gewonnen und Unsummen an Spenden für seine Projekte gesammelt. 
Sein neues Buch „Glaube, Gott und Currywurst“ ist im Freiburger Verlag Herder erschienen. Auf rund 200 Seiten schreibt Meurer einerseits, was die Kirche in „einem armen Veedel“ - also einem armen Viertel - konkret leisten kann; andererseits was sie mit Blick auf kontroverse Fragen - etwa bezüglich der Beteiligung von Frauen - leisten sollte. Dabei gelingt der erste Teil gut, der zweite lässt Fragen offen.
Mit vielen Beispielen macht Meurer das Engagement der Menschen in Höhenberg und Vingst anschaulich. Hunderte von Beeten hat die Gemeinde in den Stadtteilen bepflanzt. Die kirchliche Kleiderkammer und Essensausgabe sollen den Bedürftigen helfen. Die Pfarrei ermöglicht Jugendlichen auf Jobsuche, den Gabelstaplerführerschein zu machen. Ehrenamtlich putzen Frauen und Männer Kirche, Pfarrsaal und Jugendräume, damit genug Geld für den Messdienerausflug bleibt.
Immer wieder spricht Meurer von „allen Menschen guten Willens“, die er zum Mitmachen einlädt - und zwar nicht nur Katholiken. Viele Projekte organisiert die Pfarrei gemeinsam mit evangelischen und muslimischen Mitbürgern. „Oft beeindruckt uns Christen die Gläubigkeit der muslimischen Nachbarn“, schreibt Meurer. 
Insgesamt bezeichnet er die Kirche als einen Dienstleister, der für die Menschen da sein soll. Deshalb sei es auch in Ordnung, wenn sich Familien mit Kindern im Sommer für einen Ausflug und nicht für die Messe entschieden. „Dass Familien sonntags an sich denken - Was tut uns jetzt gut? -, finde ich normal“, erklärt er. Im Herbst fülle sich das Gotteshaus wieder.
So viel Optimismus von einem Kirchenmann tut gut. Das positive Menschenbild und den Pragmatismus hält Meurer durch, wenn es um kirchenpolitische Fragen geht. Leider vergisst er dabei, Stellung zu beziehen. Etwa in der Frauenfrage. Vor etwa einem Jahr forderten katholische Frauen aus Münster mehr Rechte in der Kirche und riefen zum Streik auf. Die Initiative Maria 2.0 ist zu einer deutschlandweiten Bewegung geworden. Eine zentrale Forderung: Die Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern, denn bislang dürfen in der katholischen Kirche nur Männer Diakone und Priester werden.
Auch in Meurers Gemeinde gibt es eine Gruppe von Maria 2.0, wie er schreibt. Immer wieder hebt er weibliches Engagement hervor, egal ob es um „liebe Frauen“ geht, die Blechkuchen backen, oder um die energiegeladene Gemeindereferentin. Ausdrücklich verweist er auf Maria Magdalena, die Papst Franziskus auf die gleiche Stufe wie die Apostel gehoben habe.
Ob Meurer nun für oder gegen die Weihe von Frauen ist, sagt er aber nicht. „1976 und 1994 haben die Päpste klargestellt, dass an das Priesteramt für Frauen nicht zu denken sei“, heißt es an einer Stelle. Ist das ein Nein? „Ohne Zweifel könnte unsere Gemeindereferentin die Pfarrei leiten“, schreibt er an einer anderen Stelle. Ist das ein Ja? Sicher: Nur der Vatikan kann über die Frauenfrage entscheiden. Deshalb ist es in Ordnung, dass sich ein Gemeindepfarrer zurückhält. Andererseits sollten vielleicht gerade die Pfarrer klar Stellung beziehen - immerhin sind sie es, die mit Maria 2.0 vor Ort umgehen müssen. Was auch Meurer weiß: „Anstöße kommen von unten.“ (Anita Hirschbeck/KNA)

Das Buch: Franz Meurer, Glaube, Gott und Currywurst, Verlag Herder, Freiburg 2020, 208 S., 20,00 Euro.

Der Autor: Franz Meurer, Jahrgang 1941, studierte Sozialwissenschaften und Theologie, wurde 1978 zum Priester geweiht, arbeitete 1978-1982 als Jugendseelsorger und ist seit 1992 Pfarrer der Gemeinden St. Elisabeth und St. Theodor in Köln Höhenberg-Vingst. Er wurde vom Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln (KSI) in Bad Honnef mit der Kardinal-Frings-Medaille ausgezeichnet und ist Kölns erster „Alternativer Ehrenbürger“. Seine Gemeinde Höhenberg-Vingst mit der 2002 geweihten Kirche St. Theodor in Köln zählt 23.000 Menschen, knapp 4.000 davon leben von Sozialhilfe, jeder Dritte ist Ausländer. Der soziale Brennpunkt versteht sich auch als ein Ort für Nächstenliebe: Das Grundprinzip in der Gemeinde heißt „Geschenkt und umsonst“. Weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannt ist die Kinderstadt „HöVi-Land“, in der seit über 20 Jahren rund 600 Kinder in den Sommerferien drei Wochen lang von Ehrenamtlichen betreut werden.

Kontakt: Katholische Kirchengemeinde St. Theodor, Höhenberger Straße 15, 51103 Köln, Tel. 0221 / 872 176, Internet: www.hoevi-land.de

Buchhinweis: Inspiriert von Papst Franziskus, hat Franz Meurer u.a. zusammen mit dem Journalisten Peter Otten 2014 auch das Buch „Himmel reloaded“ geschrieben. Gütersloher Verlagshaus 2014, Euro 14,90.

Donnerstag, 09.07.2020