Gedenken digital

von Elena Hong

Montag, 09.11.2020

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Schweigemarsch 1978 im Gedenken an die Novemberpogrome 1938, Quelle: Stadtarchiv Solingen

Der November ist der Nachdenk-Monat. Viele Gedenktage geben in Deutschland Anlass genug. Nicht zuletzt der heutige Tag. In Zeiten, in denen alles abgesagt wird, gibt es online zahlreiche Anregungen ...

INFO: Der 9. November hat eine besondere Bedeutung in der deutschen Geschichte: Er markiert mit dem Waffenstillstand von Compiègne das Ende des 1. Weltkriegs 1918, die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann vor 100 Jahren und den Fall der Mauer 1989. Doch zugleich schaut man auch in einen der Abgründe der deutschen Geschichte, denn er erinnert an die Novemberpogrome von 1938, eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen jüdischer Bürger im gesamten Deutschen Reich. Von einer „ungeheuren Empörung der Düsseldorfer Volksgenossen“ berichtete die Rheinische Landeszeitung am 10. November1938. In den Abendstunden sei es „zu spontanen Demonstrationen gegen die Juden“ gekommen, log die Parteizeitung der Nationalsozialisten. Mit „berechtigter Wut des Volkes“, hieß es, und in den Geschäften sei „radikal aufgeräumt worden“. In der gestürmten und verwüsteten Synagoge sei dann „durch einen Kurzschluss ein Brand entstanden“. Das jüdische Gebetshaus brannte – wie über 1.400 andere in ganz Deutschland vollständig aus, Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Jüdische Deutsche wurden geprügelt, verhaftet und ermordet, Zehntausende wurden deportiert und seit dieser Nacht vor 80 Jahren systematisch verfolgt und ermordet. Nach den Novemberpogromen bürdete die Reichsregierung den Juden eine „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark auf und leitete ihre vollständige Ausschaltung aus dem deutschen Wirtschaftsleben, die Schließung aller jüdischen Geschäfts- und Handwerksbetriebe und den Ausschluss der jüdischen Kinder von öffentlichen Schulen in die Wege. Die Novemberpogrome endeten im Holocaust - der Deportation und Vernichtung von mehr als sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern.

Sieben Orte weltweit online: Am Montag, 9. November, startet die erste gemeinsame Ausstellung der UNO mit dem Zentrum für verfolgte Künste Solingen - 75 Jahre nach dem Ende des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs sowie der Gründung der Vereinten Nationen am 24. Oktober – und vollständig online. „7 Places/ Sieben Orte in Deutschland“ erinnert an die Novemberpogrome von 1938, weltweit, mehrsprachig und mit internationaler Beteiligung. Um 17 Uhr MEZ wird die Webseite www.7Places.org freigeschaltet, begleitet durch live übertragene Ansprachen von Bundesaußenminister Heiko Maas und Melissa Fleming, Under Secretary-General for Global Communications der Vereinten Nationen. Der Eröffnungsfilm wird moderiert von der Künstlerin Tatiana Feldman und bringt die sieben Orte virtuell zusammen In der digitalen Schau präsentieren sieben jüdische Gemeinden Deutschlands historische Fotografien, Kunstwerke, Dokumente und Zeitzeugnisse: Die Neue Synagoge Berlin, die Alte Synagoge in Essen, die Gedenkstätte der Landjuden an der Sieg in Windeck-Rosbach, ein Gedenkort in Halle an der Saale, vertreten durch die Gedenkinstitution Leopold Zunz Zentrum e.V., die ehemalige Synagoge auf der Nordseeinsel Norderney, die Gedenkveranstaltung der Schüler*innen des Gymnasiums Schwertstraße am Platz der ehemaligen Synagoge in Solingen und das LVR-Museum MiQua. LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln.

Ein Zeitstrahl vermittelt ihre Geschichte, Zerstörung, Wiederentstehung, zeigt Aufarbeitung und Gedenken, die Erinnerungskultur wird selbst zum Thema. Das Ende der online-Ausstellung ist offen, das Konzept baut auf Interaktion. So werden die sieben Orte fortlaufend um internationale Gedenkorte und Institutionen, Daten, Bilder und Zeitzeugnisse ergänzt. Verantwortlich für die Ausstellung sind Kuratorin Birte Fritsch und Direktor Jürgen Kaumkötter vom Zentrum für verfolgte Künste, unterstützt durch das Holocaust and the United Nations Outreach Programme.

KONTAKT: Museum Zentrum für verfolgte Künste Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen, Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen, Tel. 0171 / 3639393, E-Mail: fritsch@verfolgte-kuenste.de, Internet: verfolgte-kuenste.com ; Vereinte Nationen, Holocaust and the United Nations Outreach Programme, Tracey Peterson, E-Mail: Petersen3@un.org, die Ausstellung im Internet: www.7Places.org. E-Mail: 7places@verfolgte-kuenste.de.

Ausstellungen: Da derzeit keine Live-Veranstaltungen möglich sind, zeigt die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. ihre neue Ausstellung unter dem Titel „Mehr als man kennt – näher als man denkt" auf digitalem Weg. Sie erzählt bis April 2021 anhand von Objekten aus 29 NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorten von den Schicksalen hinter den Gräueltaten des Nationalsozialismus. Die digitale Ausstellung ist zu finden unter: https://pb.nrw.de/mehr-als-man-kennt, www.politische-bildung.nrw.de/wir-partner/erinnerungskultur/mehr-als-man-kennt-naeher-als-man-denkt

„Es werde Licht“ - Weltweites Gedenkprojekt: Zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 ruft eine Kampagne dazu auf, weltweit in der Nacht zum 9. November Licht in Gotteshäusern, Institutionen und Privathäusern brennen zu lassen. Dies sei ein „Symbol der Solidarität und des gegenseitigen Engagements im gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Intoleranz“, erklärten die Veranstalter von „March of the Living“ am Montagabend. Angesprochen sind unter #lettherebelight Menschen aller Religionen.

Montag, 09.11.2020