Hildegard kommt auf den Weltkalender

von Christof Beckmann

Donnerstag, 18.02.2021

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Hildegard von Bingen, Montage: KiP-NRW

Jetzt läuft die Fastenzeit: Gelegenheit festzustellen, was gut tut. Hildegard von Bingen hat es im Mittelalter schon gemacht. Jetzt hat die Ordensfrau und Kirchenlehrerin auch im weltweiten liturgischen Kirchenkalender einen eigenen Gedenktag erhalten ...

INFO: Die Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen (um 1098-1179) erhält auch im weltweiten liturgischen Kalender der römisch-katholischen Kirche einen eigenen Gedenktag. Wie der Vatikan am 2. Februar bekanntgab, verfügte Papst Franziskus, dass Hildegards Todestag, der 17. September, weltweit „nicht gebotener Gedenktag“ im Römischen Generalkalender wird. Der neue Gedenktag sei in alle Kalender und liturgischen Bücher für Messfeier und Stundengebet einzufügen, heißt es in dem entsprechenden Dekret der Gottesdienstkongregation. Die zu verwendenden liturgischen Texte müssen nun von den Bischofskonferenzen übersetzt und approbiert werden. Nach der Bestätigung durch die Vatikanbehörde können sie veröffentlicht und verwendet werden.

Hildegard von Bingen: Im deutschsprachigen Raum wird ihrer schon länger gedacht. Papst Benedikt XVI. hatte die mittelalterliche Benediktinerin und Visionärin 2012 als erste Deutsche überhaupt zur Kirchenlehrerin erhoben. Bei einer Generalaudienz würdigte er sie schon zwei Jahre zuvor als „große Frau und Prophetin“. Sie gehört zu den bedeutendsten Frauengestalten des deutschen Mittelalters. Sie war Prophetin, Mystikerin und Äbtissin der Klöster vom Rupertsberg bei Bingen und von Eibingen. Die Texte der Äbtissin, Seherin, Heilkundigen und Komponistin beschäftigen sich mit Religion, Medizin, Musik, Ethik und Kosmologie. Bis heute ist ihre Kräuter- und Heilkunde populär.
Geboren wurde sie 1098 in Bermersheim bei Alzey und starb am 17.9.1179 auf dem Rupertsberg bei Bingen. Mit acht Jahren kam sie in klösterlicher Erziehung in der Benediktinerabtei Disibodenberg an der Nahe. 1147-1150 gründete sie ein eigenes Kloster auf dem Rupertsberg und rief um 1165 ein Tochterkloster in Eibingen bei Rüdesheim ins Leben. Zwischen 1151-1158 entstanden ihr Hauptwerk „Liber Scivias Domini“ (Wisse die Wege des Herrn), ihre naturheilkundlichen Schriften „Physica“ (Heilkraft der Natur) und „Causae et Curae“ (Ursache und Behandlung von Krankheiten). Die tatkräftige und energische Klosterfrau rief Klerus und Volk zur Buße auf, forderte strenge Sittenzucht und verkündigte schwere Gerichte, aber auch den Sieg und die Läuterung der Kirche, Missionspredigten führten sie 1158-1163 nach Frankreich, Lothringen und durch das Rheinland. 1163 schloss sie das „Liber Vitae Meritorum“ (Buch der Lebensverdienste) ab und begann ihr „Liber Divinorum Operum“ (Buch der göttlichen Werke), ihre letzte große Visionsschrift.
Hildegard genoss hohes Ansehen und führte ausgedehnte Briefwechsel. Sie schrieb siebzig Lieder, Antiphonen und Hymnen als „Posaunenklang vom lebendigen Licht“. Vor allem in den USA hat ihre Musik viele begeisterte Bewunderer. Am 17. September 1179 starb Hildegard im Alter von 81 Jahren. Ihr 1233 eingeleiteter Heiligsprechungsprozess wurde nie zu Ende geführt.
LINKS: www.abtei-st-hildegard.de; www.hildegard-gesellschaft.org; www.disibodenberg.de; www.hildegardvonbingen.info).

Sonderausstellung „Die Kaiserflüsterin": Leider wegen Corona bis auf weiteres derzeit geschlossen, aber sicher für Hildegard-Fans ein Muss ist die Sonderausstellung „Die Kaiserflüsterin: Hildegard von Bingen und Friedrich Barbarossa – Fakten und Fiktionen“ vom 18. September 2020 – 31. Oktober 2021 im Museum am Strom in Bingen. Die heilige Prophetin und der legendäre Kaiser haben als Berühmtheiten des hohen Mittelalters vor allem seit der Romantik des 19. Jahrhunderts immer wieder die Fantasie der Menschen beflügelt. Ihre Begegnung, die vermutlich im Jahre 1163 in Ingelheim stattfand, wird in der Sonderschau mit Originaldokumenten und aufwändigen grafischen Inszenierungen im historischen Elektrizitätswerk von 1898 lebendig.
Kontakt: Tel. 06721 / 184 360 oder unter E-Mail: museum-am-strom@bingen.de. Zum virtuellen Rundgang im 360°-Panorama der Ausstellung mit Audio-Kommentar, Ausstellungsflyer (PDF Dokument)

Unser Gesprächspartner: Dass sich die Ordensfrau nicht nur mit Theologie, sondern auch mit Naturkunde beschäftigte, bringt ihr noch heute viele Fans – schließlich achten immer mehr Menschen auf gesunde Ernährung. Zu tun hat das auch mit dem von ihr geprägten Begriff der „Grünkraft“ (Viriditas (vom lat. viridis = grün). Er bezeichnet eine Grundkraft, die der gesamten Natur, also Menschen, Tieren, Pflanzen und Mineralien innewohnen soll, eine Grundlage der Hildegard-Mystik. Tobias Niedenthal von der Forschergruppe Klostermedizin an der Universität Würzburg rät zur kritischen Überprüfung vieler Produkte und Schriften, die mit Hildegard werben. Niedenthal betreut die verschiedenen Internetauftritte sowie das Sekretariat dieses interdisziplinären Projektes des Institutes für Geschichte der Medizin. Es erforscht das historische Wissen über Heilpflanzen, versucht es für heute nutzbar zu machen und fand seit ihrer Gründung im August 1999 sehr großes Interesse in den verschiedensten Medien.

Kontakt: Forschergruppe Klostermedizin GmbH, Annastraße 26a, 97072 Würzburg, Tel. 0931 / 41 73 73 42, E-Mail: niedenthal@klostermedizin.de, Internet: http://www.klostermedizin.de

Donnerstag, 18.02.2021