Märtyrer: Joseph Lodde widerstand den Nazis

von Christof Beckmann

Dienstag, 28.02.2023

Bildmotive: Bistum Münster
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Über 2.700 Priester waren allein im KZ Dachau. Joseph Lodde etwa, der Großpfarrer von Coesfeld, ließ sich nicht verbiegen, als ihn die Nazis viele Jahre lang drangsalierten. 1942 kam er ins KZ Dachau, wo er heute vor 80 Jahren gestorben ist ...

INFO: Jeder zweite Jugendliche kann laut Studie den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht richtig benennen, jeder fünfte der 16- bis 25-Jährigen kennt nur eine oder gar keine Opfergruppe nationalsozialistischer Verfolgung. Das meldete die „Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)“ am 21. Februar in Berlin. Für die Memo-Jugendstudie wurden von der Uni Bielefeld rund 3.500 junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren im September/Oktober 2021 sowie 838 Teilnehmer erneut im September 2022 online befragt. Trotz systematischer Lücken mit Blick auf grundlegendes Wissen um historische Fakten seien der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg für Jugendliche und junge Erwachsene aber zentrale Referenzpunkte in der Erinnerungskultur, so die Studienautoren: 63 Prozent der jungen Erwachsenen, aber nur 53 Prozent im Durchschnitt aller Altersgruppen geben an, sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt zu haben. Auch stellten rund drei Viertel der 16- bis 25-Jährigen den Sinn der Auseinandersetzung mit diesem Teil der deutschen Geschichte nicht in Frage. Internet: http://www.stiftung-evz.de/memo-jugendstudie.

Dechant Joseph Lodde: Joseph Lodde, am 26.01.1879 als Sohn eines Bauunternehmers in Münster geboren, besuchte das Gymnasium Paulinum und wurde nach seinem Theologiestudium an der Universität Münster am 6. Juni 1903 zusammen im Dom zu Münster zum Priester geweiht. Er war Kaplan an St. Laurentius in Warendorf und St. Antonius in Herten, während des Ersten Weltkrieges als Divisionspfarrer u.a. drei Jahre in Russland und wurde mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet. Nach Station in Bochum wurde er Vikar an St. Lamberti in Gladbeck, 1927 Pfarrdechant von St. Lamberti in Coesfeld und Standortpfarrer mit Sitz in Bielefeld. Offen zeigte er seine Abneigung gegen die Nazis und erhielt mehrere Verwarnungen, weil er etwa einem Zug von NSDAP-Mitgliedern den Fahnengruß verweigerte, einen Hirtenbrief gegen die Einführung der Gemeinschaftsschule verlies, von der Kanzel zu einem Arbeitsboykott am Fronleichnamstag aufrief oder verbotener Versammlungen beschuldigt war. 1940 wurde er unter dem Vorwand der „Wehrkraftzersetzung“ nach einer eine Hausdurchsuchung verhaftet und kam in Schutzhaft. 1942 konnten einflussreiche Bürger Coesfelds eine von der NSDAP erneut geplante Verhaftung verhindern. Kritische Äußerungen zur Zivilehe brachten ihn am 26. Oktober 1942 in das Gefängnis in Münster und am 31. Dezember in den Priesterblock des Konzentrationslagers Dachau. Misshandelt und zusammengeschlagen, kam er nach einem Schlaganfall 1943 und Typhus-Infektion ins Krankenrevier und starb am 28. Februar 1943. Die durch Bestechung bewahrte Asche konnte bis nach Kriegsende versteckt werden, die Urne wurde in das Hauptfriedhofskreuz Coesfeld eingemauert. In der Stadt wurde am 14. Februar 1947 ihm zu Ehren ein Teil der Billerbecker Straße in Loddeallee umbenannt, seit 1997 ist Lodde im Fries des von Bert Gerresheim geschaffenen Versöhnungs-Portals an der Basilika in Kevelaer dargestellt.

Literatur: Hans-Karl Seeger/Hermann Hüsken, „Dechant Josef Lodde – Coesfelds Fels in der brauen Flut“, Lit Verlag, 19,90 Euro, ISBN 978-3643114570; Christian Frieling: Priester aus dem Bistum Münster im KZ. 38 Biographien. Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, Münster 1992, ISBN 3-402-05427-2, S. 127–129; Ulrich von Hehl (Hrsg.): Priester unter Hitlers Terror. Eine biographische und statistische Erhebung. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 3. Aufl. 1996, ISBN 3-506-79839-1, Bd. II, S. 1063; mehr: Beatrix Lahrkamp, Zur Auseinandersetzung zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus im Münsterland. Eine Analyse kirchlicher Erlebnisberichte, in: Westfälische Zeitschrift, 136 (1986), S. 111-177

Unser Gesprächspartner: Dennis Hartjes, Jg. 1994, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, gehört der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Münster an. Sie bietet pro Semester eine Lehrveranstaltung zur Geschichte des Bistums Münster an der Katholisch-Theologischen Fakultät an, zudem wertet die die Akten zur Geschichte der Diözese aus, die nach der Archivöffnung im März 2020 in den Vatikanischen Archiven zugänglich geworden sind. Adresse: Domplatz 23, 48143 Münster, Dienstsitz: Aegidiistraße 67, Zimmer 206, 48143 Münster, Tel. 0251 / 83-26905, E-Mail: dennis.hartjes@uni-muenster.de

Geistliche im KZ Dachau: 2.720 Geistliche aus allen christlichen Konfessionen und aus ganz Europa wurden ab 1940 aus anderen Haftstätten und Konzentrationslagern in das KZ Dachau verschleppt. Ihr Schicksal beeinflusste die Lager-Geschichte, aber auch die Entstehung und Gestaltung der späteren Gedenkstätte. Auch wird an den Biografien und der hohen Sterblichkeit der 1.800 polnischen Geistlichen deutlich, wie unterschiedlich Gefangene verschiedener Nationalitäten von der SS behandelt wurden. Mehr: Deutsches Martyriologium, Internet: https://www.deutsches-martyrologium.de, Website der KZ-Gedenkstätte Dachau, Verein Selige Märtyrer von Dachau e.V., E-Mail: info@selige-kzdachau.de, Internet: https://seligekzdachau.de/index.php/maertyrer,

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