Wallfahrt, Brand und Seuchen

von Christof Beckmann

Dienstag, 26.05.2020

Foto: Bischöfliche Pressestelle / Ann-Christin Ladermann
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Dr. Norbert Köster, Professor für Kirchengeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Foto: Bischöfliche Pressestelle Münster/ Ann-Christin Ladermann

Der Wallfahrtsmonat Mai geht dem Ende zu. Und es war diesmal vieles anders – wegen Corona blieben viele zu Hause. Gerade das hätten Menschen früherer Jahrhunderte in so einer Situation gerade nicht getan, meint Kirchenhistoriker Prof. Dr. Norbert Köster.

INFO: Die Wallfahrtssaison hat zwar gerade begonnen, aber etliche Wallfahrten werden in diesem Jahr wegen Corona abgesagt. Was aus heutiger Sicht logisch klingt, ist nach Worten von Kirchenhistoriker Prof. Dr. Norbert Köster einmalig. In früheren Jahrhunderten waren Seuchen oder Katastrophen wie Brände erst recht gerade der Anlass für Wallfahrten: „Wenn sich eine Pfarrei oder ein ganzer Ort auf den Weg zu einem Wallfahrtsort macht, steckt fast immer eine Seuche dahinter.“ Entweder habe es sich um eine Viehseuche gehandelt, die den Bauern die Lebensgrundlage entzog, oder es sei eine Seuche wie etwa die Pest gewesen, die unzählige Menschenleben forderte. „Manche Wallfahrten sind als Dank entstanden, nachdem das Ganze überstanden war, oder als Bitte, damit so etwas nicht wieder ausbricht“, erklärt der Professor für Kirchengeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster. Als Theologe ermutigt er, auch in diesem Jahr zu pilgern: „Auch zu Corona-Zeiten sind Wallfahrten möglich und sinnvoll, wenn man die entsprechenden Abstandsregelungen einhält.“ Einzeln zum Wallfahrtsort zu pilgern sei ja denkbar. Man könne „auch dort in der Kirche beten und das Anliegen vor Gott tragen, dass die Menschen, die von der gegenwärtigen Seuche betroffen sind, tatsächlich entweder geheilt werden oder - was die wirtschaftlichen Folgen angeht - dass es sie nicht so schlimm trifft. Jedenfalls ändert sich an der Grundaussage, dass wir unsere Sorgen und unsere Nöte vor Gott bringen, eigentlich nichts.“

Marienmonat: Der Mai gilt neben dem Oktober als „Marienmonat“, wird mit speziellen Andachten begangen und ist der Mutter Jesu gewidmet. Maria, Tochter von Joachim und Anna, Mutter Jesu (* um 20 v. Chr., † 15. August 48 in Jerusalem oder in Ephesus), ging nach Jesu Tod und Auferstehung der Überlieferung nach mit Johannes, dem „Lieblingsjünger“ Jesu, nach Ephesus. Dort wird erstmals 431 ihr Grab beim Konzil von Ephesus benannt, das den Titel Marias als „theotokos”, „Gottesgebärerin”, bestätigte. Ihr angebliches Sterbehaus, das Meryemana (Marien-Haus) liegt am Bülbül-Dag, dem „Nachtigallenberg“ bei Selçuk - auch viele Muslime verehren dort die „Mutter des Propheten“.
Nach den dogmatischen Aussagen der katholischen Kirche ist Maria wahre Gottesmutter; sie hat Jesus jungfräulich durch den Heiligen Geist empfangen; sie wurde ohne Erbsünde empfangen, blieb in ihrem Leben ohne Sünde und ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden. Vom 12. Jahrhundert an wird Maria mit dem Kind als „Madonna” verehrt; nach der Apokalypse (Offenbarung 12) ist sie die vom Drachen verfolgte Frau, die das Kind zur Welt bringt und die „von der Sonne bekleidet, von Sternen bekrönt auf dem Monde steht.” Die Monate Mai und Oktober gelten im Kirchenjahr als „Marienmonate“, die mit speziellen Andachten begangen werden.

Wallfahrtsland NRW: In Nordrhein-Westfalen gibt es mit über 50 Wallfahrtsorten die meisten in ganz Deutschland. So kennt allein das Bistum Münster 28 große und kleine Wallfahrtsorte, zu denen rund 1,5 Millionen Christen jährlich aufbrechen: Zu den meist besuchten zählen nach Kevelaer die Marienwallfahrtsorte Telgte, Bethen bei Cloppenburg und Eggerode bei Schöppingen, Haltern mit dem Annaberg, der Kreuzwallfahrtsort Stromberg bei Oelde, Warendorf, Herzfeld bei Lippetal, Xanten-Marienbaum und Kranenburg. Aber auch das Rheinland ist reich an jahrhundertealten Pilgerorten. Wer hier pilgern möchte, findet zahlreiche Anregungen in einem 2019 erschienenen Buch von Walter Töpner: Pilgerland Rheinland, Wege und Wallfahrtsorte, 288 Seiten, Verlag: Edition Lempertz, Bonn 2019, ISBN-13: 9783960583264, ISBN-10: 3960583265.

Das NRW-Wallfahrtsorte-Wiki: Aachen, alle sieben Jahre Heiligtumsfahrt; Aldenhoven, Gnadenkapelle Maria, Zuflucht der Sünder; Altenberg, Altenberger Dom („Dom Unserer Lieben Frau zu Altenberg“); Bergheim, Schmerzhafte Mutter in der Remigiuskirche; Biesfeld, Schmerzhafte Mutter Gottes; Billerbeck; Bocholt; Bödingen, Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes; Bonn, Kreuzbergkirche, Heiliger Stiege und Schmerzhafte Mutter; Büderich, Wallfahrtskapelle Maria in der Not; Buschhoven, Marienwallfahrtsort mit der „Rosa mystica“; Coesfeld, Coesfelder Kreuz; Dalhausen, Marienwallfahrtsort; Darup, Wallfahrtskapelle zum Heiligen Kreuz; Düsseldorf-Benrath, Schwarze Muttergottes von Benrath; Düsseldorf-Bilk, Vierzehn Nothelfer in der Stoffeler Kapelle; Düsseldorf-Gerresheim, Basilika St. Margareta mit Heilig-Blut-Reliquie; Eggerode, Marienwallfahrt Unsere Liebe Frau vom Himmelreich; Essen, Wallfahrt zur „Goldenen Madonna“; Frechen-Grefrath, Schmerzhafte Mutter (früher Bottenbroich); Ginderich; Goch; Grotewiese, Meinerzhagen; Haltern am See, Wallfahrt auf den Annaberg; Heimbach, Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter von Heimbach; Heisterbacherrott, Wallfahrt zum Apostel Judas Thaddäus; Herford, Herforder Vision; Herzfeld (Lippetal), Wallfahrtskirche St. Ida von Herzfeld; Ittenbach, Schmerzhafte Mutter Gottes; Kalk (Köln), Schmerzhafte Mutter Gottes in der Kalker Kapelle, Kevelaer, Marienwallfahrtsort; Kinzweiler; Knechtsteden, Schmerzhafte Mutter; Köln, Minoritenkirche (Grab des seligen Adolph Kolping); Köln, Schrein der Heiligen Drei Könige (Kölner Dom); Köln, St. Maria in der Kupfergasse (Schwarze Madonna von Köln); Kornelimünster, alle sieben Jahre Heiligtumsfahrt; Kranenburg; Leverkusen-Alkenrath, Seliger Gezelinus; Lüftelberg (Meckenheim), St. Petrus (Lüftelberg) mit dem Grab der Hl. Lüfthildis; Marialinden, Schmerzhafte Mutter Gottes; Marienbaum, Wallfahrtskirche St. Mariä Himmelfahrt (Marienbaum); Marienheide, Wallfahrtskirche St. Mariä Heimsuchung; Mönchengladbach, alle sieben Jahre Heiligtumsfahrt; Neuss, Quirinus von Rom, Hildegunde von Neuss/Schönau und Cornelius; Neviges, Nevigeser Wallfahrtsdom „Maria, Königin des Friedens“; Nothberg; Stammheim (Köln), Die freudenreiche Mutter Gottes; Stiepel; Stromberg, Heiliges Kreuz; Telgte, Gnadenbild der Schmerzhaften Maria aus Lindenholz; Werl, Marienwallfahrtsort, Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung; Xanten

Dienstag, 26.05.2020