Welternährungstag 2021

von Christof Beckmann

Samstag, 16.10.2021

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Aktueller Screenshot der Interaktiven Welthungerkarte des Welternährungsprogramms (WFP)

Heute ist Welternährungstag und nicht zufällig auch Welttag des Brotes. Aber es reicht offensichtlich nicht für alle. Was kann man ändern? Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer des kirchlichen Entwicklungshilfswerks Misereor, mit einer Bilanz ...

INFO: Mit den aktuellen Gedenktagen steht das Wochenende unter besonderen Vorzeichen: Heute ist der internationale Welternährungstag (Welthungertag, World Food Day), 1979 eingeführt in Erinnerung an den Gründungstag der Welternährungs-Organisation(Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO). Die Sonderorganisation der UNO mit Sitz in Rom wurde am 16. Oktober 1945 ins Leben gerufen (Motto „Fiat panis“, lateinisch für: „Es werde Brot“). Zugleich wird der internationale Welttag des Brotes begangen, 2006 begründet durch die International Union of Bakers und Confections UIBC in Madrid.

Morgen, am 17.10., steht der „Internationale Tag für die Beseitigung der Armut" auf dem Kalender (UN-Webseite). Er wurde 1987 von dem französischen Armenpriester Joseph Wresinski in Paris initiiert und 1992 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen proklamiert. Joseph Wresinski (1917-1988), Gründer der Menschenrechtsbewegung ATD Vierte Welt, teilte ab 1956 das Leben der Armen in ein Obdachlosenlager am Rand von Paris und motivierte Menschen aller Glaubensrichtungen und Weltanschauungen. Das Datum für den Welttag zur Überwindung der Armut geht auf eine Großdemonstration am Platz der Menschenrechte am Trocadero in Paris zurück, wo sich am 17. Oktober 1987 über 100.000 Menschen aus der ganzen Welt versammelten. Daran erinnert dort eine Gedenkinschrift mit einer seiner Grundüberzeugungen: „Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung einzusetzen, ist heilige Pflicht.“ Für ihn war klar: „Das Elend ist nicht unabänderlich; es wird von Menschen verursacht, und die Menschen können es auch überwinden“. Sein Nachlass wird im „Centre international Joseph Wresinski" in Baillet-en-France (Frankreich) aufbewahrt.
Homepage des Mouvement International ATD Quart Monde in Deutsch: http://refuserlamisere.org/rubrique/languages?language=de

Ernährungslage in Teilen der Welt erheblich verschlechtert: Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Ernährungslage in einigen Teilen der Welt in diesem Jahr deutlich verschlechtert. Über eine halbe Million Menschen in den vier Ländern Äthiopien, Madagaskar, Südsudan und Jemen seien von katastrophaler Ernährungsunsicherheit betroffen, so der Direktor der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, Qu Dongyu, am 4. Oktober 2021 in Rom. Mehr als 41 Millionen Menschen stünden am Rande einer Hungersnot. Auch in Burkina Faso und im Nordosten Nigerias drohe akute Ernährungsunsicherheit. Die jüngste Entwicklung stehe vor dem Hintergrund einer der schlimmsten Ernährungskrisen der vergangenen Jahre. Vielerorts habe sich die Notlage auch deshalb verschlechtert, weil die von Hilfsorganisationen geforderten 6,6 Milliarden US-Dollar an Soforthilfen bisher nicht erreicht worden seien. Seitdem UN-Generalsekretär Antonio Guterres im März eine High-Level-Taskforce gegen Hunger gründete, so Qu, habe die FAO mindestens 5,5 Millionen Menschen in den betroffenen Ländern helfen können. Obwohl weltweit mehr Lebensmittel produziert werden als je zuvor steigen die Hungerzahlen wieder und drohen, sich bis 2030 der Milliardengrenze zu nähern. Die Corona-Pandemie wirkt zusätzlich als Brandbeschleuniger. Während 811 Millionen Menschen hungern, ist jeder dritte Mensch weltweit mittlerweile übergewichtig oder fettleibig.

Der UN-Gipfel zu Ernährungssystemen, der am 23. September in New York stattfand, sollte diesen Widerspruch angehen. Das Ziel: Das globale, unter dem Klimawandel leidende, ihn aber auch antreibende Ernährungssystem – also die Art wie wir Nahrungsmittel produzieren, verarbeiten, handeln und konsumieren – grundlegend zu transformieren, das Ernährungssystem neu aufzustellen und es gerecht, nachhaltig und krisenfest zu gestalten. Bislang mit eher mäßigem Erfolg. Damit ist das zweite UN-Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goals – SDG 2), den Hunger bis zum Jahr 2030 zu überwinden, kaum noch zu erreichen. Das 1961 gegründete und dabei federführende Welternährungsprogramm (World Food Programme – WFP) wurde 2020 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Mehr: VEREINTE NATIONEN, Heft 3/2021, Blick über den Tellerrand, weitere Informationen: FAO, IFAD, UNICEF, WFP, WHO (2021): The State of Food Security and Nutrition in the World 2021. Transforming food systems for food security, improved nutrition and affordable healthy diets for all. Rom, FAO; Welthunger-Index: https://www.globalhungerindex.org/de. Daten zur Ernährungssituation in mehr als 90 Länder zeigt fast in Echtzeit die Interaktive Welthungerkarte des Welternährungsprogramms (WFP).

MISEREOR: Dass es durchaus Wege hin zu einer guten und nachhaltigen Lebensmittelversorgung gibt, zeigen mehrere Filme, die in Kooperation des Bundeszentrums für Ernährung mit dem Bischöflichen Hilfswerk MISEREOR in Aachen entstanden sind. Die im Netz präsentierten Filme stellen Initiativen und Netzwerke vor, die sich für eine „Ernährungsrevolution von unten“ einsetzen - in Rio de Janeiro genauso wie in Frankfurt am Main. 15 Ernährungs-Pioniere, 14 erfolgreiche Beispiele in zweimal 17 Filmminuten präsentieren Beispiele aus Brasilien und Deutschland. Sie zeigen eine bäuerliche, regionale und naturnahe Landwirtschaft, die die Städte versorgen kann. Die Filme auf YouTube: „Foodrevolution – Stadt trifft Land“ (Trailer); „Foodrevolution – Stadt trifft Land“ – Teil 1: Frankfurt am Main; „Foodrevolution – Stadt trifft Land“ – Teil 2: Rio de Janeiro. Außerdem: Herausforderung Corona - Interview mit Márcio Mattos de Mendonça zur Arbeit von AS-PTA in der Corona-Krise. Mehr zum Thema Agrarökologie bei Misereor; mehr zum Thema nachhaltige Ernährung vom Bundeszentrum für Ernährung.

Seit der Gründung im Jahr 1958 gestaltet MISEREOR in der katholischen Kirche in Deutschland die Fastenzeit und bittet die Bevölkerung um Solidarität und Unterstützung für Benachteiligte in Asien und Ozeanien, Afrika und dem Nahen Osten, Lateinamerika und der Karibik. Jedes Jahr steht ein anderes Thema und ein anders Land im Fokus der Fastenaktion. Aktuell unterstützt MISEREOR mehr als 3000 Projekte, die von fast 1800 Partnerorganisationen in aktuell 87 Ländern umgesetzt werden. Insgesamt standen MISEREOR dabei Einnahmen einschließlich der Gelder aus öffentlichen Mitteln 214,9 Millionen Euro zur Verfügung, die für Projekt-, Advocacy- und Lobbyarbeit eingesetzt werden. Mehr als 109.000 Projekte wurden im Laufe der Jahre gefördert. MISEREOR ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft: www.entwicklung-hilft.de. Themendossier Welthandel, Themendossier Unternehmensverantwortung, Dossier Klimawandel. Spendenkonto: Spendenkonto 10 10 10, Pax Bank Aachen, BLZ 370 601 93, IBAN DE75 3706 0193 0000 1010 10, BIC GENODED1PAX. MISEREOR im Netz: www.misereor.de, MISEREOR-Blog: https://blog.misereor.de/, Twitter: www.twitter.com/misereor.

Unser Gesprächspartner: Martin Bröckelmann-Simon (64), ist am 27. August 2021 nach 22 Jahren Vorstandstätigkeit und über 36 Jahren Mitarbeit bei MISEREOR verabschiedet worden. Seit 1999 war er im Vorstand von MISEREOR und der katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (KZE), ständiger Vertreter des Hauptgeschäftsführers und für den Bereich Internationale Zusammenarbeit zuständig. Nachfolger als MISEREOR-Geschäftsführer wird Bernd Bornhorst, der zuletzt als Leiter der Abteilung Politik und Globale Zukunftsfragen bei MISEREOR tätig war.

Samstag, 16.10.2021