"Sollen wir nicht Du sagen?"

von Michael Nitzke

Mittwoch, 25.03.2020

Händeschütteln im Büro
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Duzen oder Siezen? Kommt es nur darauf an, wie lange man sich schon kennt und wie vertraut man miteinander ist?

Sollen wir uns duzen, oder doch lieber beim "Sie" bleiben? Über scheinbar vertraute und distanzierte Anreden hat sich Michael Nitzke Gedanken gemacht.

Ich bin der Michael!

Das Siezen ist immer mehr auf dem Rückzug. Klar in der Bank oder bei der Behörde sagt man noch Sie. Aber da muss man ja auch nicht so oft hin.

Viele Leute sind heute gleich auf Du und Du. Menschen, die jeden Tag zusammenarbeiten, oder fast jede Woche die Freizeit zusammen verbringen, beim Sport, beim Hobby und immer mehr auch in der Kirche.

In der Kirche gab es Zeiten, da hat der Pfarrer von der Kanzel die Gemeinde mit Du angeredet, umgekehrt galt das aber nicht. Solche Unterschiede zwischen Du und Sie empfand man als Ausdruck von Herrschaft: Sie da oben und Du da unten!

Warum solche Unterschiede? Gott hat doch die Menschen alle gleich erschaffen.

Allerdings finde ich, dass ein schnelles Du nicht automatisch Nähe schafft. Es ist wie ein Angebot, das noch mit Leben gefüllt werden muss, damit dieses Du wirklich von Herzen kommt.

Und ein Sie muss nicht weniger herzlich sein. Als Pfarrer sieze ich mich mit vielen Menschen in meiner Gemeinde seit über 25 Jahren und wir kommen sehr gut miteinander aus. Ein höfliches Sie kann ein Ausdruck von Wertschätzung sein. Und das ist oft mehr wert als ein dahingesprochenes Du.

In Holland heißt es im Vater Unser immer noch „Ihr Reich komme“ und „Ihr Wille geschehe“. Gott zu siezen kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber von ihm erfahre ich auch diese besondere Nähe, die er mir mit seinen Worten zeigt:

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jes 43,1)

Mittwoch, 25.03.2020