Drei Buchstaben: Hauptstadt Italiens

von Christof Beckmann

Donnerstag, 01.10.2020

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150 Jahre Hauptstadt Italiens: Tanti auguri, Roma!, Foto: KiP

„7-5-3 – Rom kroch aus dem Ei“ - klar, sie ist der Nabel der Welt für das Römische Imperium, die Stadt der Cäsaren, die „Ewige Stadt“, Hauptstadt der katholischen Weltkirche. Und Hauptstadt Italiens. Tatsächlich aber erst genau 150 Jahre...

INFO: Bei einer Volksabstimmung am 2. Oktober 1870 im Kirchenstaat stimmte eine große Mehrheit für den Anschluss an Italien. König Viktor Emanuel nahm am 8. Oktober das Plebiszit entgegen und erließ ein entsprechendes Dekret, das Rom zur Hauptstadt von Italien machte. Damit endete dort vor 150 Jahren die weltliche Macht der Päpste. Sie hatte mit der legendären Schenkung des Frankenkönigs Pippin 754 begonnen und stand nun dem Risorgimento, der seit den 1830er Jahren aktiven Einigungsbewegung in Italien im Weg. Als die französische Schutzmacht für den Deutsch-Französischen Krieg ihre Soldaten abzog und Anfang September 1870 in Sedan verheerend geschlagen wurde, beschloss das italienische Parlament die Okkupation des Kirchenstaates. Die Truppen von Papst Pius IX. unter dem badischen General Hermann Kanzler war mit 13.000 Freiwilligen der königlichen Armee hoffnungslos unterlegen. Die Angreifer zogen auf umständlichen Wegen bis vor Rom, schossen am 20. September eine Bresche in die Mauern. Der symbolische Widerstand brach in drei Stunden zusammen, von den Mauern des Vatikan fiel kein Schuss. Das päpstliche Armeeministerium kapitulierte, setzte die weiße Fahne auf der Kuppel des Petersdoms und nach dem Siegesfest sammelten sich die Papst-Soldaten auf dem Petersplatz, feierten im Petersdom eine Messe und zogen mit dem Segen des Papstes ab, der sich zum „Gefangenen im Vatikan“ erklärte. Zehn Tage später stand der Anschluss an das Königreich Italien und erst mit den Lateran-Verträgen und der Gründung des Vatikanstaates 1929 wurde ein tragfähiger Kompromiss gefunden. Der Verlust des alten Kirchenstaates machte die Kirche internationaler und kennzeichnete eine neue Ära der Kirchengeschichte. Papst Franziskus erinnerte im Februar 2020 an das gewachsene gute Verhältnis zwischen Papsttum und den Bürgern der Stadt. Vor Bürgermeisterin Virginia Raggi und dem italienischen Staatspräsident Sergio Mattarella verwies er auf die Internationalität des multikulturellen Rom, seine vielen Kulturen und Religionsgemeinschaften, die sie zu einer „universellen Stadt des ökumenischen und interreligiösen Dialogs, des Friedens“ machten. Die Stadt – „eine große Ressource der Menschheit“ - müsse „für alle ein Zuhause sein“, mahnte Franziskus. Sie sei eine Stadt von einzigartiger Schönheit und müsse sich im doppelten Sinne der Weltoffenheit und der Einbeziehung aller erneuern.

Das Festprogramm zum 150-Jährigen der italienischen Hauptstadt wurde vom Comitato Roma 150 geplant. Kontakt: Comitato Roma 150, Via delle Carrozze 19, 00186, Roma, CF 96408560587, 06 62934291, 328 5812312, E-Mail: info@roma-150.it, Facebook: facebook.com/RomaCapitale150, Internet: http://roma-150.it/. Das ganze Programm: http://roma-150.it/wp-content/uploads/Programma-Comitato-Roma-150-v1.1.pdf

NRW-Ministerpräsident Laschet in Rom: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident ist seit Mittwoch zu einem dreitägigen Besuch in Rom. Anlass sind die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit in den deutschen Botschaften beim Heiligen Stuhl und in Italien, die am 1. Oktober begangen wurden und bei denen Nordrhein-Westfalen Partnerbundesland ist. Laschet traf am Mittwoch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte an seinem Regierungssitz im Palazzo Chigi zu einem politischen Gespräch zusammen - unmittelbar vor der Sondertagung des Europäischen Rats am 1. und 2. Oktober in Brüssel. Weitere Treffen von Laschet galten Außenminister Luigi Di Maio und weiteren Regierungsvertretern. An der Reise nehmen NRW-Vizeministerpräsident JoachimStamp (FDP), Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) als Minister für Europaangelegenheiten und Internationales und der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, Abraham Lehrer, teil.
Nach Mitteilung der NRW-Staatskanzlei (30.9.) stand bei dem Treffen mit Ministerpräsident Conte vor allem die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen nach der Corona-Pandemie im Mittelpunkt: „Deutschland und alle anderen europäischen Länder können nur stark sein, wenn auch Italien und der Süden Europas stark sind“, so Ministerpräsident Armin Laschet. „Die Bilder aus Bergamo haben uns alle aufgerüttelt. Sie haben uns die Gefahren des Virus vergegenwärtigt. Sie haben uns aber auch die Bedeutung europäischer Solidarität deutlich vor Augen geführt.“ Das Treffen habe den gemeinsamen Willen zur Geschlossenheit und Stabilität in Europa gezeigt: „Wir sind überzeugt: Europa kann nur als Einheit bestehen im globalen Wettbewerb um Märkte, aber gerade auch um Werte.“ Auch die lange Partnerschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Italien solle weiter vertieft werden, so Laschet: „Denn es waren viele tausende Gastarbeiter aus Italien, die unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg mit wiederaufgebaut haben und Deutschland damit wieder zu Wohlstand verhalfen. Deshalb haben wir Italien und den italienischen Landsleuten viel zu verdanken.“
In Nordrhein-Westfalen leben über 140.000 Staatsangehörige italienischer Herkunft. Zwischen Nordrhein-Westfalen und Italien gibt es aktuell 16 Städtepartnerschaften, darunter beispielsweise Köln mit Turin, Unna mit Pisa, Bonn mit Frascati und Oberhausen mit Iglesias. Düsseldorf hat im März 2016 eine neue Städtepartnerschaft mit Palermo geschlossen. 114 Schulen in Nordrhein-Westfalen pflegen internationale Kontakte mit italienischen Schulen und es gibt aktuell 365 Hochschulkooperationen. Zudem besteht in Nordrhein-Westfalen ein breites Netzwerk italienischer Einrichtungen: So hat die Italienische Handelskammer für Deutschland (ITKAM) ein Büro in Köln genauso wie die Deutsch-Italienische Wirtschaftsvereinigung MERCURIO, ein italienisches Kulturinstitut und die Kulturvereinigung Italia Altrove. Das italienische Generalkonsulat hat ebenfalls seinen Sitz in Köln, ein weiteres italienisches Konsulat befindet sich in Dortmund.

Treffen mit Papst Franziskus: Am Donnerstagmorgen, 1. Oktober, empfing Papst Franziskus Ministerpräsident Laschet im Apostolischen Palast im Vatikan zu einer Privataudienz. Im Mittelpunkt des Vier-Augen-Gesprächs standen die Verdienste von Papst Johannes Paul II. im Kampf gegen die kommunistische Diktatur und für den Fall des Eisernen Vorhangs und die deutsche Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Zudem ging es um grundlegende Fragen der Europa- und Außenpolitik. Nach Mitteilung der Staatskanzlei (1.10.) erklärte der Ministerpräsident, die Kirche hat eine wichtige Rolle bei der Europäischen Integration und bei der Deutschen Einheit gespielt. „Papst Johannes Paul II. hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Durch ihn und seinen Einfluss konnte Europa zusammenwach­sen und die Deutsche Einheit Gestalt annehmen. Dafür sind wir Deutsche bis heute dankbar“, so Laschet: „Die Frei­heit des Geistes, die Papst Johannes Paul II. im­mer wieder eingefordert hat, brauchen wir auch heute: in Europa und weit darüber hinaus.“ Auch die aktuelle Flüchtlingspolitik war Gegenstand des Gesprächs. Ministerpräsident Armin Laschet betonte, dass die Europäische Staatengemeinschaft nur zügig Lösungen finden müsse, um die Situation in den Flüchtlingslagern zu verbessern: „Papst Franziskus und ich stimmen überein: Europa darf die Staaten Südeuropas mit diesem Problem nicht alleine lassen. Die Flüchtlingsfrage ist keine griechische, keine italienische und keine deutsche Frage; sie ist eine gesamteuropäische Frage.“
Weiteres Thema des Gesprächs war Jüdisches Leben in Deutschland und antisemitische Tendenzen in der Gesellschaft. Armin Laschet unterstrich, dass in Nordrhein-Westfalen kein Platz für Antisemitismus sei: „Noch heute müssen wir Vorurteile, die durch Unwissenheit und Unsicherheit entstehen, entschieden bekämpfen. Die Landesregierung setzt sich mit Kräften für das jüdische Leben im Land ein. Daher ist es eine große Freude, dass im kommenden Jahr das jüdische Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern dürfen.“ Der Auftakt des Festjahres wird im Rahmen einer feierlichen Eröffnungsveranstaltung am 21. Februar 2021 in Köln stattfinden.
Der Ministerpräsident lud Papst Franziskus bei seinem Treffen auch zu einem Besuch nach Nordrhein-Westfalen ein. Es gebe dafür im nächsten Jahr mehrere passende Anlässe, etwa die Heiligtumsfahrt in Aachen oder die Feierlichkeiten zu 1.700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland, sagte Laschet nach der Privataudienz im Vatikan: „Nordrhein-Westfalen wäre gerne Gastgeber“, betonte er. Franziskus könne Menschen zusammenführen. Das sei in einer Zeit, in der viele nach dem Motto „mein Land first“ argumentierten, besonders wichtig. Im Anschluss an die Audienz führte Ministerpräsident Armin Laschet auch ein Gespräch mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

Donnerstag, 01.10.2020