Jesuit erfand das erste Auto-Mobile der Welt

von Stefan Klinkhammer

Samstag, 24.06.2023

Jesuit Ferdinand Verbiest und sein automobiles Gefährt, Collage: KIP
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Jesuit Ferdinand Verbiest und sein automobiles Gefährt, Collage: KIP

Zur Reisezeit und vor dem Tag der Autobahnkirchen morgen ein Blick auf die Geschichte: Denn das vermutlich erste „Auto-Mobile“ der Weltgeschichte hat der flämische Jesuit Ferdinand Verbiest um das Jahr 1675 erfunden...

INFO: Es wurde geforscht, getüftelt und gebaut. Nun hat das vermutlich erste „Auto-Mobile“ der Weltgeschichte (genauer: sein Nachbau) einen Parkplatz im Ingolstädter Stadtmuseum bekommen. Sein Erfinder und Erbauer war ein flämischer Jesuit, der es am Hofe des chinesischen Kaisers bis zum Direktor der kaiserlichen Sternwarte in Peking gebracht hatte. Die Geschichte des Autos hat der Ingolstädter Historiker Gerd Treffer erforscht.

Spitzentechnologie gegen Mission - das war der Deal, den der flämische Jesuit Ferdinand Verbiest (1623-1688) mit dem Kaiser von China abschloss. 1623 in Pittem bei Courtray geboren, trat Verbiest in Mecheln am 2. September 1641 in den Orden der Jesuiten ein und ging 1659 als Missionar nach China, wo bereits mehrere astronomisch geschulte Ordensmitgliedern viele Jahrzehnte als Leiter des Kalenderwesens und am Kollegium für Astronomie tätig waren. Die unruhigen Regierungsverhältnisse nach dem Tod von Kaiser Shunzhi 1661 und christenfeindliche Kreise sorgten zwar für die Inhaftierung von Verbiest, ab 1667 aber setzte sich der Mandschu-Kaisers Kangxi durch, beendete die gegen die Christen ergriffenen Maßnahmen und beauftragte Verbiest, die astronomischen Beobachtungen neu zu regeln. Nach 1669 übernahm der Jesuit die Leitung des kaiserlichen Kalenderamtes, das zuvor von den deutschen jesuitischen Astronomen Johannes Schreck und Adam Schall von Bell ausgeübt worden war. Dem Kaiser selbst erteilte Verbiest Unterricht in Sternenkunde und fertigte u.a. 1674 eine der größten Weltkarten, die jemals gedruckt wurden (Kunyu quantu / Eine Karte der ganzen Welt). Die Karte wurde anlässlich der offiziellen Rückkehr der Jesuiten in China veröffentlicht. Verbiest stand neben seinen vielfältigen Forschungen seit 1681 zudem an der Spitze der kaiserlichen Geschützgießerei. Nach seinem Tod 1688 wurde er mit den höchsten Ehren bestattet.

Um das Jahr 1670/75 konstruierte der gelehrte Ordensmann ein Gefährt, das sich ohne menschliche oder tierische Muskelkraft bewegen konnte. Für den Antrieb des ersten aus eigener Kraft selbstfahrenden (= automobilen) Fahrzeugmodells der Welt sorgte Dampf. Der Nachbau des Gefährts heute war kniffeliger als zunächst gedacht, doch Prof. Dr.-Ing. Thomas Suchandt, Vizepräsident der THI in Ingolstadt und Leiter der Fakultät Maschinenbau, nahm mit einer Gruppe Studierender der Technischen Hochschule Ingolstadt diese Herausforderung an: Allein auf Grundlage der lateinischen Beschreibung gelang es, in einem wissenschaftlichen Projekt des Audi-Konfuzius-Instituts an der Technischen Hochschule Ingolstadt, ein fahrbereites Modell anzufertigen. 2019 drehte das mit Wasserdampf betriebene Fahrzeug seine ersten Runden. In einem weiteren Projekt fertigten Studenten der Technischen Hochschule und der South China University of Technology (Kanton) Nachbauten aus historischen Materialien. Das erste Modell wurde im April 2023 dem Stadtmuseum Ingolstadt übergeben, ein weiteres ging ins Brüsseler Museum Autoworld, das weltweit größte Automobilmuseum.

Wissenschaftlich aufgearbeitet hat die Erfindung der Ingolstädter Historiker Dr. Gerd Treffer bei der Recherche zur wissenschaftlichen Tätigkeit des Jesuitenordens am chinesischen Kaiserhof. Das Buch: Gerd Treffer, Das erste auto-mobile der Weltgeschichte. Des Jesuitenprofessors Ferdinand Verbiests Erfindung für den Kaiser von China (1676/1678), 92 Seiten, ISBN 978-3-981-7390-4-6

Die „Gesellschaft Jesu“: Der Jesuitenorden ist die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Gründer der „Gesellschaft Jesu“, so die offizielle Bezeichnung in Anlehnung an den lateinischen Namen „Societas Jesu“ (SJ), ist der Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556). Unter der Devise „Alles zur größeren Ehre Gottes / Omnia ad majorem Dei gloriam” beschloss er die Gründung einer religiösen Gesellschaft. Nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land besuchte er die Hochschulen von Barcelona, Alcala und Salamanca, zuletzt in Paris und gründete hier mit Gesinnungsgenossen den Jesuitenorden, den er bedingungslos dem Papst unterstellte. Nach seiner Priesterweihe in Venedig wurde Ignatius durch Papst Paul II. mit der Bulle „Regimini militantis ecclesiae“ („Der Leitung der streitenden Kirche“) zum Generaloberen der am 27. September 1540 bestätigten Ordensgemeinschaft. Charakteristisch war eine für damalige Verhältnisse hochkarätige Ausbildung, die über das Studium der Theologie hinausging. Ignatius selbst musste sich dafür mehrfach vor der spanischen Inquisition rechtfertigen, verbrachte mehrere Monate im Gefängnis. Umstritten von Anfang an, expandierte der im Zeitalter der Gegenreformation wichtige Orden (Motto: „Gott in allem finden“) auch nach Südamerika und Asien. Bei seinem Tod am 31. Juli 1556 zählte der Orden bereits mehr als 1.000 Mitglieder in über 100 Niederlassungen. Ordensgründer Ignatius, der in der Kirche II Gesù in Rom begraben ist, wurde 1622 heiliggesprochen; sein Fest wird am 31. Juli gefeiert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der einflussreiche Orden aus immer mehr europäischen Ländern gewaltsam vertrieben. Papst Klemens XIV. veröffentlichte 1773 das Aufhebungsdekret, 1814 erfolgte durch Papst Pius VII. die Wiedergründung der Gesellschaft Jesu mit der päpstlichen Bulle „Sollicitudo omnium ecclesiarum”.
Jesuiten sind keine Mönche; sie führen kein Klosterleben und tragen keine Ordenskleidung. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich in einem vierten Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben. An der Spitze der Gesellschaft Jesu, die in 125 Ländern vertreten ist, steht ein Ordensgeneral mit Sitz in Rom. Der Orden ist in 85 Provinzen eingeteilt, die jeweils von einem Provinzoberen, dem Provinzial, geleitet werden. Im Interesse einer hohen Mobilität leben die Jesuiten nicht ortsgebunden in Klöstern, sondern entsprechend ihrer Aufgaben und Einsatzgebiete in ordenseigenen Einrichtungen und Häusern, die wiederum einen Hausoberen haben. Ihre römische Hochschule, die „Gregoriana“, ist die renommierteste unter den Päpstlichen Universitäten. Der derzeitige Papst Franziskus ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. 2016 wurde der Politikwissenschaftler Pater Arturo Sosa Abascal SJ (72) aus Venezuela zum 31. Generaloberen des Ordens gewählt, der mit insgesamt rund 16.400 Brüdern und Priestern zahlenmäßig der größte der katholischen Kirche ist. Internet: www.jesuiten.de.

Die Deutsche Provinz: 1540 kam Peter Faber als erster Jesuit nach Deutschland, der erste deutsche Jesuit war Petrus Canisius. 1544 gründete sich in Köln die erste Jesuitenkommunität, 1556 entstanden die ersten beiden deutschen Provinzen. 1872 wurden die Ordensangehörigen durch das Jesuitengesetz aus dem Deutschen Reich vertrieben, gründeten jedoch Ausbildungshäuser in den Niederlanden und Großbritannien oder gingen in Missionen in die skandinavischen Länder, die USA, nach Südbrasilien, Indien, Rhodesien und Japan. 1917 wurde das Verbot in Deutschland aufgehoben. In der alten Deutschen Provinz (Bundesrepublik sowie Dänemark und Schweden) sind rund 450 Mitglieder vor allem als Lehrer und Hochschullehrer, Schriftsteller, Seelsorger oder Publizisten tätig. Sie arbeiten an Kollegschulen, den Hochschulen in Frankfurt (Main), München und Innsbruck, in der Jugend und Studentenseelsorge, Gemeindepastoral, Bildungs-, in Beratungs- und Exerzitien und als Herausgeber mehrerer Zeitschriften. Am 27. April 2021 führten die Jesuiten ihre bisherigen Ordensprovinzen in den deutschsprachigen und weiteren europäischen Ländern zusammen und gründeten eine gemeinsame Provinz Zentraleuropa mit Sitz in München. Sie umfasst 36 Standorte in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Litauen, Lettland und Schweden mit insgesamt 442 Mitbrüdern. Kontakt: Zentraleuropäische Provinz der Jesuiten e.V., P. Martin Stark SJ, Kaulbachstraße 29a, D-80539 München, (Anfahrtsbeschreibung), Tel. 089 / 38185-230, Fax 089 / 38185-200, E-Mail: info(at)jesuiten.org, Internet: https://www.jesuiten.org, Facebook: https://www.facebook.com/jesuiten​​, Twitter: https://twitter.com/jesuiten​​, Instagram: https://www.instagram.com/jesuiten_/​

Tag der Autobahnkirchen: Der morgige 25. Juni, wird bundesweit als „Tag der Autobahnkirchen“ begangen, initiiert von der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen. „Rund eine Million Menschen besuchen jedes Jahr eine Autobahnkirche. Sie schätzen vor allem die Ruhe und die Anonymität. Viele von ihnen nutzen das Anliegenbuch, um ihre Gedanken festzuhalten, viele zünden eine Kerze an und geben eine Spende“, heißt es auf der Internetseite der Autobahnkirchen. Die sogenannten „Rastplätze für die Seele“ laden dann zu Andacht und Gebet ein. Bei teilnehmenden Kirchen werden den Besuchern neben einem kleinen Giveaway zum Aktionstag kostenlose Verteilbroschüren wie „Gebete und Lieder für unterwegs“ oder ein mehrsprachiger Reisesegen angeboten. Zudem bieten sie Besuchern kostenlose Broschüren wie „Gebete und Lieder für unterwegs“ oder einen mehrsprachigen Reisesegen an. Die älteste katholische Autobahnkirche steht im bayerischen Adelsried (1958), die älteste evangelische Autobahnkirche im ostwestfälischen Vlotho-Exter (1959). 19 der Kirchen sind evangelisch, 8 katholisch und 17 ökumenisch getragen. Autobahnkirchen sind von 8.00 bis 20.00 Uhr geöffnet.

Das aktuelle Verzeichnis der Autobahnkirchen: http://www.autobahnkirche.de.

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