Jesuiten: Eine ungewöhnliche WG

von Christof Beckmann

Dienstag, 20.11.2018

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Pater Lutz Müller SJ vor dem Abuna-Frans-Haus in Essen, Foto: Niklas Buhr

Die Wohngemeinschaft von Jesuiten und Flüchtlingen im Abuna-Frans-Haus in Essen-Frohnhausen ist für alle Bewohner ein Schutz- und Lebensraum. Für die Jesuitenpatres und acht Männer aus vielen Nationen - mit Putzplan und ganz normalem Alltag ...

INFO: Das Abuna-Frans Haus ist eine Wohngemeinschaft von Flüchtlingen und Jesuiten in Essen-Frohnhausen. Seit 2016 leiten die Patres Lutz Müller SJ und Ludger Hillebrand SJ unter dem Dach des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes die Wohngemeinschaft, die sich für die Verständigung zwischen Geflüchteten Christen und Muslimen einsetzt. Vorbild und Namensgeber des Hauses ist der niederländische Pater Frans van der Lugt SJ der sich über 40 Jahre für die Verständigung verschiedener Religionen und Konfessionen in Syrien stark machte. Der Name des Hauses setzt sich aus dem Wort Abuna (arabisch = Unser Pater) und dem Vornamen von Pater Frans van der Lugt SJ zusammen. Dieser wurde am 07. April 2014 von Unbekannten in seiner Wohnung in Homs erschossen. Sein Engagement in der Völkerverständigung bewegt Muslime und Christen weiterhin zum Brückenbau.
In der Wohngemeinschaft gibt es Platz für acht Flüchtlinge und drei Jesuiten. Die beiden Patres wohnen im Dachgeschoss, für die Flüchtlinge gibt es Einzelzimmer im 1. Obergeschoss und im Erdgeschoss befindet sich die große Wohnküche.
Kontakt: Abuna-Frans-Haus, Frohnhauser Str. 400, 45144 Essen, Homepage: www.abuna-frans-haus.org
Spendenkonto: Provinz der deutsche Jesuiten Müller/Hillebrand (Begünstigter), Bank im Bistum Essen eG, IBAN: DE92 3606 0295 0032 5890 22, BIC: GENODED1BBE, Verwendungszweck: Abuna-Frans-Haus

Die „Gesellschaft Jesu“: Der Jesuitenorden ist die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Gründer der „Gesellschaft Jesu“, so die offizielle Bezeichnung in Anlehnung an den lateinischen Namen „Societas Jesu“ (SJ), ist der Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556). Unter der Devise „Alles zur größeren Ehre Gottes / Omnia ad majorem Dei gloriam” beschloss er, eine religiöse Gesellschaft zu gründen. Nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land besuchte er die Hochschulen von Barcelona, Alcala und Salamanca, zuletzt in Paris und gründete hier mit Gesinnungsgenossen den Jesuitenorden, den er bedingungslos dem Papst unterstellte.
Nach seiner Priesterweihe in Venedig wurde Ignatius zum Generaloberen der durch Papst Paul II. mit der Bulle „Regimini militantis ecclesiae" („Der Leitung der streitenden Kirche") am 27. September 1540 bestätigten Ordensgemeinschaft. Charakteristisch war eine für damalige Verhältnisse hochkarätige Ausbildung, die über das Studium der Theologie hinausging. Ignatius selbst musste sich dafür mehrfach vor der spanischen Inquisition rechtfertigen, verbrachte mehrere Monate im Gefängnis. Umstritten von Anfang an, expandierte der im Zeitalter der Gegenreformation wichtige Orden (Motto: „Gott in allem finden) auch nach Südamerika und Asien. Beim Tod von Ignatius am 31. Juli 1556 zählte der Orden bereits mehr als 1.000 Mitglieder in über 100 Niederlassungen. Ignatius wurde in der Kirche II Gesù in Rom begraben und 1622 heilig gesprochen; sein Fest wird am 31. Juli gefeiert.

Der einflussreiche Orden wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts aus immer mehr europäischen Ländern gewaltsam vertrieben. Papst Klemens XIV. veröffentlichte 1773 das Aufhebungsdekret. 1814 erfolgte die Wiedergründung der Gesellschaft Jesu mit der päpstlichen Bulle „Sollicitudo omnium ecclesiarum” durch Papst Pius VII.. Jesuiten sind keine Mönche; sie führen kein Klosterleben und tragen keine Ordenskleidung. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich in einem vierten Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben. An der Spitze der Gesellschaft Jesu, die in 125 Ländern vertreten ist, steht ein Ordensgeneral mit Sitz in Rom. Der Orden ist in 85 Provinzen eingeteilt, die jeweils von einem Provinzoberen, dem Provinzial, geleitet werden. Im Interesse einer hohen Mobilität leben die Jesuiten nicht ortsgebunden in Klöstern, sondern entsprechend ihrer Aufgaben und Einsatzgebiete in ordenseigenen Einrichtungen und Häusern, die wiederum einen Hausoberen haben. Ihre römische Hochschule, die „Gregoriana“, ist die renommierteste unter den Päpstlichen Universitäten. Der derzeitige Papst Franziskus ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. 2016 wurde der Politikwissenschaftler Pater Arturo Sosa Abascal SJ (67) aus Venezuela zum 31. Generaloberen des Ordens gewählt. Internet: www.jesuiten.de.

Die Deutsche Provinz: 1540 kam Peter Faber als erster Jesuit nach Deutschland, der erste deutsche Jesuit war Petrus Canisius. 1544 gründete sich in Köln die erste Jesuitenkommunität und 1556 entstanden die ersten beiden deutschen Provinzen. 1872 wurden die Ordensangehörigen durch das Jesuitengesetz aus dem Deutschen Reich vertrieben, gründeten jedoch Ausbildungshäuser in den Niederlanden und Großbritannien oder gingen in Missionen in die skandinavischen Ländern, die USA, nach Südbrasilien, Indien, Rhodesien und Japan. 1917 wurde das Verbot in Deutschland aufgehoben. Die bereits durch den Ordensgründer erkannte Bedeutung der Bildung setzten sie wieder in der Gründung von Schulen um. Heute sind in der Deutschen Provinz (Bundesrepublik sowie Dänemark und Schweden) rund 450 Mitglieder vor allem als Lehrer und Hochschullehrer, Schriftsteller, Seelsorger oder Publizisten tätig (Österreichische Provinz: 100, Schweizer Provinz: 80). Sie arbeiten an den Kollegien in Berlin, Bad Godesberg und St. Blasien, den Hochschulen in Frankfurt (Main), München und Innsbruck, in der Jugend und Studentenseelsorge, Gemeindepastoral, Bildungs-, in Beratungs- und Exerzitientätigkeit und als Herausgeber mehrerer Zeitschriften. Klaus Schatz, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Ordenshochschule Sankt Georgen in Frankfurt, hat eine umfassende „Geschichte der deutschen Jesuiten“ vorgelegt (Schatz, Klaus: Geschichte der deutschen Jesuiten, 5 Bände, Aschendorff Verlag, Münster 2013).
Kontakt: Provinzialat Deutsche Provinz der Jesuiten, Seestraße 14, 80802 München, E-Mail: provinzialat.ger@jesuiten.org, Tel. 089 / 38185-241, Internet: www.jesuiten.org. Mehr: Jesuiten in DeutschlandJesuit werden

Unsere Gesprächspartner: P. Lutz Müller SJ ist 1962 geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre zum Bankkaufmann, ehe er in München, Frankfurt und Chicago das Studium der Theologie und Philosophie sowie eine therapeutische Ausbildung abschloss. Seit 1983 gehört er dem Jesuiten-Orden an. Von 1987 bis 1989 war er für einen Flüchtlingseinsatz in Ostasien. Von 2010 bis 2016 leitete er die „Offene Tür“ in Mannheim. Seit September 2016 unterstützt er bei der Seelsorge in der Pfarrei St. Antonius in Essen-Frohnhausen und leitet das Abuna-Frans-Haus mit seinem Mitbruder.
P. Ludger Hillbrand SJ wurde 1962 in Büren geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums absolvierte er in Paderborn, Fribourg und Würzburg das Theologiestudium. 1991 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Seit 1999 gehört er dem Jesuiten-Orden an. Danach war er für die Studentenseelsorge in Göttingen zuständig und arbietete für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst in der Abschiebehaft in Berlin. Seit September 2016 ist er in der Seelsorge der Pfarrei St. Antonius in Essen-Frohnhausen tätig und leitet mit seinem Mitbruder das Abuna-Frans-Haus.

Texte: Niklas Buhr

Dienstag, 20.11.2018