Jesuiten: Gemeinschaft weltweit

von Christof Beckmann

Dienstag, 05.02.2019

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Vor 500 Jahren wusste Ignatius von Loyola noch nicht, wohin seine eigene Lebensreise geht. Als es ihm klar wurde, ging seine Gemeinschaft in die ganze Welt. Die „Gesellschaft Jesu“, die jetzt erstmals den Papst stellt, steht für ein besonderes Charisma...

INFO: Die Anwesenheit von Jesuiten in der Stadt Essen ist ab 1613 belegt, die hier ein katholisches Gymnasium einrichteten und viele Funktionen im damaligen Stiftsterritorium übernahmen. Mehrfach wurden sie aus der Stadt vertrieben, kehrten aber immer wieder zurück. Die heutige Niederlassung ist in Essen-Frohnhausen ansässig: Das Abuna-Frans Haus ist eine Wohngemeinschaft von Flüchtlingen und Jesuiten. Seit 2016 leiten die Patres Lutz Müller SJ und Ludger Hillebrand SJ unter dem Dach des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes diese Wohngemeinschaft, die sich für die Verständigung zwischen Geflüchteten Christen und Muslimen einsetzt. Vorbild und Namensgeber des Hauses ist der niederländische Pater Frans van der Lugt SJ, der sich über 40 Jahre für die Verständigung verschiedener Religionen und Konfessionen in Syrien stark machte. Der Name des Hauses setzt sich zusammen aus dem Wort Abuna (arabisch = Unser Pater) und dem Vornamen von Pater Frans van der Lugt SJ. Er wurde am 07. April 2014 von Unbekannten in seiner Wohnung in Homs erschossen. Sein Engagement in der Völkerverständigung bewegt Muslime und Christen weiterhin zum Brückenbau. In der Wohngemeinschaft gibt es Platz für acht Flüchtlinge und drei Jesuiten. Die beiden Patres wohnen im Dachgeschoss, für die Flüchtlinge gibt es Einzelzimmer im 1. Obergeschoss und im Erdgeschoss befindet sich die große Wohnküche.
Kontakt: Abuna-Frans-Haus, Frohnhauser Str. 400, 45144 Essen, Homepage: www.abuna-frans-haus.org. Spendenkonto: Provinz der deutsche Jesuiten Müller/Hillebrand (Begünstigter), Bank im Bistum Essen eG, IBAN: DE92 3606 0295 0032 5890 22, BIC: GENODED1BBE, Verwendungszweck: Abuna-Frans-Haus

Die „Gesellschaft Jesu“: Der Jesuitenorden ist die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Gründer der „Gesellschaft Jesu“, so die offizielle Bezeichnung in Anlehnung an den lateinischen Namen „Societas Jesu“ (SJ), ist der Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556). Unter der Devise „Alles zur größeren Ehre Gottes / Omnia ad majorem Dei gloriam” beschloss er, eine religiöse Gesellschaft zu gründen. Nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land besuchte er die Hochschulen von Barcelona, Alcala und Salamanca, zuletzt in Paris und gründete hier mit Gesinnungsgenossen den Jesuitenorden, den er bedingungslos dem Papst unterstellte.
Nach seiner Priesterweihe in Venedig wurde Ignatius durch Papst Paul II. mit der Bulle „Regimini militantis ecclesiae" („Der Leitung der streitenden Kirche") zum Generaloberen der am 27. September 1540 bestätigten Ordensgemeinschaft. Charakteristisch war eine für damalige Verhältnisse hochkarätige Ausbildung, die über das Studium der Theologie hinausging. Ignatius selbst musste sich dafür mehrfach vor der spanischen Inquisition rechtfertigen, verbrachte mehrere Monate im Gefängnis. Umstritten von Anfang an, expandierte der im Zeitalter der Gegenreformation wichtige Orden (Motto: „Gott in allem finden“) auch nach Südamerika und Asien. Beim Tod von Ignatius am 31. Juli 1556 zählte der Orden bereits mehr als 1.000 Mitglieder in über 100 Niederlassungen. Ignatius wurde in der Kirche II Gesù in Rom begraben und 1622 heiliggesprochen; sein Fest wird am 31. Juli gefeiert.
Der einflussreiche Orden wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts aus immer mehr europäischen Ländern gewaltsam vertrieben. Papst Klemens XIV. veröffentlichte 1773 das Aufhebungsdekret. 1814 erfolgte die Wiedergründung der Gesellschaft Jesu mit der päpstlichen Bulle „Sollicitudo omnium ecclesiarum” durch Papst Pius VII.. Jesuiten sind keine Mönche; sie führen kein Klosterleben und tragen keine Ordenskleidung. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich in einem vierten Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben. An der Spitze der Gesellschaft Jesu, die in 125 Ländern vertreten ist, steht ein Ordensgeneral mit Sitz in Rom. Der Orden ist in 85 Provinzen eingeteilt, die jeweils von einem Provinzoberen, dem Provinzial, geleitet werden. Im Interesse einer hohen Mobilität leben die Jesuiten nicht ortsgebunden in Klöstern, sondern entsprechend ihrer Aufgaben und Einsatzgebiete in ordenseigenen Einrichtungen und Häusern, die wiederum einen Hausoberen haben. Ihre römische Hochschule, die „Gregoriana“, ist die renommierteste unter den Päpstlichen Universitäten. Der derzeitige Papst Franziskus ist der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri. 2016 wurde der Politikwissenschaftler Pater Arturo Sosa Abascal SJ (67) aus Venezuela zum 31. Generaloberen des Ordens gewählt. Internet: www.jesuiten.de.

Die Deutsche Provinz: 1540 kam Peter Faber als erster Jesuit nach Deutschland, der erste deutsche Jesuit war Petrus Canisius. 1544 gründete sich in Köln die erste Jesuitenkommunität und 1556 entstanden die ersten beiden deutschen Provinzen. 1872 wurden die Ordensangehörigen durch das Jesuitengesetz aus dem Deutschen Reich vertrieben, gründeten jedoch Ausbildungshäuser in den Niederlanden und Großbritannien oder gingen in Missionen in die skandinavischen Länder, die USA, nach Südbrasilien, Indien, Rhodesien und Japan. 1917 wurde das Verbot in Deutschland aufgehoben. Die bereits durch den Ordensgründer erkannte Bedeutung der Bildung setzten sie wieder in der Gründung von Schulen um. Heute sind in der Deutschen Provinz (Bundesrepublik sowie Dänemark und Schweden) rund 450 Mitglieder vor allem als Lehrer und Hochschullehrer, Schriftsteller, Seelsorger oder Publizisten tätig (Österreichische Provinz: 100, Schweizer Provinz: 80). Sie arbeiten an den Kollegien in Berlin, Bad Godesberg und St. Blasien, den Hochschulen in Frankfurt (Main), München und Innsbruck, in der Jugend und Studentenseelsorge, Gemeindepastoral, Bildungs-, in Beratungs- und Exerzitientätigkeit und als Herausgeber mehrerer Zeitschriften.
Kontakt: Provinzialat Deutsche Provinz der Jesuiten, Seestraße 14, 80802 München, E-Mail: provinzialat.ger@jesuiten.org, Tel. 089 / 38185-241, Internet: www.jesuiten.org. Mehr: Jesuiten in Deutschland, Jesuit werden

Unsere Gesprächspartner:
P. Lutz Müller SJ
ist 1962 geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Lehre zum Bankkaufmann, ehe er in München, Frankfurt und Chicago das Studium der Theologie und Philosophie sowie eine therapeutische Ausbildung abschloss. Seit 1983 gehört er dem Jesuiten-Orden an. Von 1987 bis 1989 war er für einen Flüchtlingseinsatz in Ostasien. Von 2010 bis 2016 leitete er die „Offene Tür“ in Mannheim. Seit September 2016 unterstützt er bei der Seelsorge in der Pfarrei St. Antonius in Essen-Frohnhausen und leitet das Abuna-Frans-Haus mit seinem Mitbruder.
P. Ludger Hillebrand SJ wurde 1962 in Büren geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums absolvierte er in Paderborn, Fribourg und Würzburg das Theologiestudium. 1991 wurde er in Paderborn zum Priester geweiht. Seit 1999 gehört er dem Jesuiten-Orden an. Danach war er für die Studentenseelsorge in Göttingen zuständig und arbeitete für den Jesuiten-Flüchtlingsdienst in der Abschiebehaft in Berlin. Seit September 2016 ist er in der Seelsorge der Pfarrei St. Antonius in Essen-Frohnhausen tätig und leitet mit seinem Mitbruder das Abuna-Frans-Haus.
 

Der Papst in Abu Dhabi

Über 120.000 Gläubige werden heute Vormittag die Papstmesse in Abu Dhabi mitfeiern. Der Gottesdienst bei der ersten Reise, die ein Papst überhaupt auf die Arabische Halbinsel unternimmt, findet im Stadionkomplex der Vereinigten Arabischen Emirate statt und wird live in alle katholischen Kirchen der Emirate und im Internet übertragen. Die Reise gilt als Teil einer dreifachen Initiative des Papstes in die islamische Welt: Ihr erster Teil führte ihn im April 2017 nach Ägypten. Nun, vom 3. bis 5. Februar, folgen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ende März der Maghreb mit Marokko. Die beiden Reisen treffen sich mit dem Jahrestag eines Treffens zwischen Franz von Assisi mit dem ägyptischen Sultan Malik al-Kamil vor genau 800 Jahren.
Das Programm zur Papstreise in die Vereinigten Arabischen Emirate: http://w2.vatican.va/content/francesco/en/travels/2019/outside/docum ents/papa-francesco-emiratiarabiuniti-2019.html

Allein in den Emiraten leben eine Million Katholiken, alle Gastarbeiter, vor allem aus Indien, Pakistan und den Philippinen, aber auch aus arabischen Ländern wie Libanon und Syrien oder aus Europa. Mindestens 120.000 werden mit staatlichen Würdenträgern und Diplomaten am Dienstag bei einer großen Messe im Sportkomplex „Zayed Sports City“ von Abu Dhabi erwartet, die auch live im Internet und allen Kirchen übertragen wird. Die Einlasskarten wurden über die Pfarreien des Apostolischen Vikariats für Südarabien verteilt, das neben den Emiraten auch Oman und Jemen umfasst. Ein Kontingent geht auch an das nordarabische Vikariat mit Bahrain, Kuwait, Katar und Saudi-Arabien. Beide Vikariate zählen mit einer Fläche von rund drei Millionen Quadratkilometern zu den flächenmäßig größten Kirchenbezirken der Welt.
Insgesamt leben in den Vikariaten rund dreieinhalb Millionen Katholiken, die von etwa 120 Priestern betreut werden - die Religionsfreiheit der Christen ist in einigen Ländern des Gebietes stark eingeschränkt, besonders in Saudi-Arabien, denn die Arabische Halbinsel, wo der Islam im 7. Jahrhundert entstand, gilt Muslimen als heiliger Boden. Zuvor hatte dort das Christentum bereits Fuß gefasst und drang entlang der spätantiken Handelsrouten nach Indien weiter Richtung Süden vor: Große Stammesverbände in Nordarabien waren im sechsten Jahrhundert bereits christianisiert und dienten dem byzantinischen Kaiser als Vasallen, auch Mohammed selbst begegnete als Karawanenführer offenbar etlichen Christen. Doch lebten bereits in der islamischen Frühphase zwischen Rotem Meer und Persischem Golf praktisch keine Christen mehr. Erst mit portugiesischen Stützpunkten gewannen Christen im 16. Jahrhundert wieder Einfluss auf die Arabische Halbinsel, die Briten sicherten am Golf mit Protektoraten im Jemen und Oman ihren Seeweg nach Indien zu sichern. Erst der Ölboom veränderte seit den 1950er Jahren das Glaubensgefüge Arabiens erheblich. Allein in den Emiraten leben heute zwei Millionen Inder und eine Million Christen; damit gehört mehr als jeder zehnte Einwohner einer Kirche an. Mit etwa dreieinhalb Millionen Gläubigen stellen die Katholiken, verteilt auf zwei Apostolische Vikariate, die größte christliche Konfession auf der Halbinsel. Zuständiger katholischer Bischof ist der Schweizer Paul Hinder (76), der wie alle Bischöfe seit Beginn des 19. Jahrhunderts dem Orden der Kapuziner angehört.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten, in denen 1965 die erste katholische Kirche entstand, sind offene Kritik am Islam und christliche Mission verboten, doch sie gelten als religiös toleranter als die anderen Golfstaaten und das riesige Nachbarland Saudi-Arabien. Seit 2007 bestehen diplomatische Beziehungen zum Vatikan, 2010 entsandten die Emirate ihre erste Botschafterin an den Heiligen Stuhl. Der Präsident der Emirate, Scheich Khalifa bin Zayed, hat 2019 als „Jahr der Toleranz“ ausgerufen, Kronprinz Muhammad bin Zayed wünschte am 25. Dezember allen Christen weltweit „Frieden und Glück“ zum Weihnachtsfest. Der 2014 mit Sitz in Abu Dhabi gegründete Gelehrtenrat des „Muslim Council of Elders“, geleitet von Großscheich Ahmad al-Tayyeb von der Kairoer Al-Azhar-Universität, setzt sich für einen moderaten Islam ein. Er traf am 4. Februar im Founder's Memorial im Rahmen einer interreligiösen Begegnung mit dem Titel „Human Fraternity“ („Geschwisterlichkeit zwischen den Menschen“) mit Papst Franziskus zusammen, um Wege für ein besseres Zusammenleben der Religionen zu besprechen – der eigentliche Anlass der Abu-Dhabi-Reise.

Historische Erklärung zu Frieden, Freiheit und Frauenrechten

Bei dem Zusammentreffen gestern unterzeichneten Papst Franziskus und Großimam Achmed al-Tayyeb eine gemeinsame Erklärung, die als Meilenstein in den Beziehungen zwischen Christentum und Islam gilt. Das „Dokument über die Geschwisterlichkeit unter den Menschen für den Weltfrieden und das Zusammenleben“ bekräftigt, dass „der Glaube den Gläubigen im anderen einen Bruder sehen lässt, dem man helfen und den man lieben muss“, wie es im Vorwort heißt. Es nimmt die Autoren, die Führer der Welt sowie die Verantwortlichen im Bereich der internationalen Politik und der Weltwirtschaft in die Pflicht, „sich mit Nachdruck für die Verbreitung der Kultur der Toleranz, des Zusammenlebens und des Frieden einzusetzen und so schnell wie möglich einzugreifen, um das Vergießen von unschuldigem Blut zu stoppen und Kriegen, Konflikten, Umweltzerstörung und dem moralischen und kulturellen Niedergang, den die Welt heute erlebt, ein Ende zu setzen.“
Der Text ist zugleich eine klare Absage an Gewalt im Namen Gottes“: Papst Franziskus und Großimam al-Tayyeb erklären „mit Entschlossenheit, dass Religionen niemals Grund für Krieg, Hass, Feindseligkeit und Extremismus sein dürfen und auch nicht zu Gewalt oder Blutvergießen führen können. Diese tragischen Realitäten sind die Folge eines Abweichens von der religiösen Lehre, der politischen Manipulation der Religionen und auch der Interpretationen von Religionsgemeinschaften“. Sie appellieren an alle Beteiligten, „die Religionen nicht länger dazu zu benutzen, Hass, Gewalt, Extremismus und blinden Fanatismus zu schüren, und den Namen Gottes nicht mehr dazu zu benutzen, um Mord, Exil, Terrorismus und Unterdrückung zu rechtfertigen.“ Die Erklärung hält zudem fest, dass die „Freiheit ein Recht jedes Menschen ist: Jeder genießt die Freiheit des Glaubens, Denkens, Ausdrucks und Handelns. Der Pluralismus und die Vielfalt der Religionen, Hautfarben, Geschlechter, Rassen und Sprachen sind von Gott in Seiner Weisheit gewollt.“ Der „verwerfliche Terrorismus“ sei auf eine Häufung von „Fehlinterpretationen religiöser Texte zurückzuführen; auf eine Politik, die Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Hochmut begünstigt. Deshalb ist es dringend notwendig, der Unterstützung terroristischer Bewegungen durch Finanzierung, die Bereitstellung von Waffen und Strategien, sowie deren Rechtfertigung durch die Medien ein für alle Mal einen Riegel vorzuschieben. All diese Formen der Unterstützung müssen als internationale Verbrechen betrachtet werden, die die Sicherheit und den Weltfrieden bedrohen.“
Nicht zuletzt unterstreicht die Erklärung, „die Anerkennung des Rechts der Frau auf Bildung und Beschäftigung“, sowie „die Freiheit, ihre politischen Rechte auszuüben". Frauen müssten von historischen und sozialen Bedingungen befreit sein, die im Widerspruch zu den Prinzipien ihres Glaubens und ihrer Würde stehen. Der Ausbeutung und der Verletzung der Würde der Frauen sei ein Ende zu setzen.
Mehr bei Vatikan News: Papst und Großimam: Historische Erklärung zu Frieden, Freiheit und Frauenrechten

 

Dienstag, 05.02.2019