Lübecker Märtyrer: Bald Heilige?

von Christof Beckmann

Montag, 09.11.2015

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2011 wurden die Lübecker Märtyrer Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller seliggesprochen. Jetzt will sich Hamburgs Erzbischof Heße für eine Heiligsprechung der ehemaligen Studenten aus Münster einsetzen. Morgen jährt sich ihr 72. Todestag.

INFO: Am 10. November 2015 jährt sich der 72. Todestag der „Lübecker Märtyrer“, die unter dem Fallbeil der Nationalsozialisten ermordet wurden. Die an der Lübecker Hauptkirche Herz Jesu tätigen drei Kapläne Hermann Lange, Johannes Prassek, Eduard Müller und der evangelische Pastor Karl-Friedrich Stellbrink kamen durch gezielte Denunziationen ins Visier der Gestapo, wurden verhaftet und durchlitten eine lange und qualvolle Haftzeit im Lübecker Gefängnis am Burgtor, später in Hamburg.

Als herausragende Figur der Gruppe gilt der 1911 in einfachen Verhältnissen in Hamburg-Barmbek geborene Johannes Prassek. Am Hamburger Johanneum konnte er 1931 das Abitur abgelegen und ging zum Theologiestudium an die Jesuiten-Hochschule Sankt-Georgen in Frankfurt am Main. 1933 wechselte er nach Münster, wo er sich dem katholischen Studentenverein Unitas Ruhrania anschloss, 1935 ins Priesterseminar nach Osnabrück. Nach der Priesterweihe am 13. März 1937 im Dom zu Osnabrück und eine Vikarstelle im mecklenburgischen Wittenburg kam er 1939 an die Lübecker Pfarrei Herz-Jesu, wo er einen guten Ruf als Prediger hatte. In Gesprächskreisen, insbesondere mit Soldaten, sprach er offen über den Nationalsozialismus, kirchenfeindliche Politik des Regimes, Krieg und Verhalten der Machthaber. Prassek lernte Polnisch für die streng verbotene Seelsorge an Zwangsarbeitern. Mit dem 17 Jahre älteren evangelischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink tauschte er ab Sommer 1941 Informationen über „feindliche“ Rundfunksender und verteilte Flugschriften – u.a. von Clemens August von Galen, Bischof von Münster. Ein Spitzel zeigte Prassek an, er kam am 18. Mai 1942 in das Marstall-Gefängnis des Burgkloster-Gebäudes und wartete mit Stellbrink und den ebenfalls verhafteten Kaplänen Hermann Lange und Eduard Müller über ein Jahr auf den Prozess.

Schon lange vor Prozessbeginn stand ihr unter Ausschluss der Öffentlichkeit am 24. Juni 1943 gefälltes Todesurteil wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Rundfunkverbrechen, Zersetzung der Wehrkraft und landesverräterischer Feindbegünstigung“ fest. Hitler selbst hatte sich in den Prozess eingeschaltet und jedwede Rechtsmittel untersagt. Am 10. November erfuhren die Lübecker Märtyrer im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis mittags von der Vollstreckung des Todesurteils um 18 Uhr. Die vier Geistlichen starben im Abstand von vier Minuten durch das Fallbeil.

Das 2004 im Erzbistum Hamburg begonnene Seligsprechungsverfahren für die drei Kapläne Prassek, Müller und Lange wurde 2010 in Rom abgeschlossen, am 25. Juni 2011 wurden sie vor ihrem Wirkungsort, der katholischen Propsteikirche Herz Jesu in der Lübecker Altstadt, selig gesprochen, Pastor Stellbrink wurde ehrenvoll erwähnt, da die evangelische Kirche keine Seligsprechungen kennt. Gleichwohl gelten sie in ihrem gemeinsamen Zeugnis für ihren Glauben als Beispiel wirklicher Ökumene.

Gedenktermine

09.11.2015 11:00 Uhr: Engagiert gegen rechts: Veranstaltung für Lübecker Schulen, Vortrag und Gespräch mit Birgit und Horst Lohmeyer, Jamel, in der Lutherkirche, Moislinger Allee 96, Lübeck

10.11.2015 17:00 Uhr: Kranzniederlegung mit Andacht am Zeughaus, mit Propst Franz Mecklenfeld und Jochen Proske, Zeughaus an der Parade, Lübeck

10.11.2015 18:00 Uhr: Pontifikalamt am 72. Jahrestag der Hinrichtung der vier Lübecker Märtyrer, Predigt und Liturgie Erzbischof Dr. Stefan Heße, anschließend Beisammensein im Haus Simeon, Parade 4, Lübeck

10.11.2015 18:30 Uhr: Hl. Messe in St. Johannes Bosco, Essen-Borbeck, Theodor-Hartz-Straße (W.K.St.V. Unitas Ruhrania)

13.11.2015 12:00 Uhr: Andacht in der St. Marienkirche (Marienkirchhof) anschließend Kranzniederlegung unter den Rathausarkaden mit Pastorin Constanze Oldendorf und Dr. Ingaburgh Klatt, Rathausarkaden, Breite Straße, Lübeck

15.11.2015 18:00 Uhr: Ökumenischer Gottesdienst mit Lichterprozession zum 72. Todestag, mit Bischöfin Kirsten Fehrs, Weihbischof Norbert Werbs und Hauptpastor Alexander Röder. Beginn: Gedenktafel Kleine Wallanlagen hinter dem Untersuchungsgefängnis, von dort Lichterprozession zur Hauptkirche St. Michaelis, Englische Planke 1, Hamburg

Mehr: Die Internetseite www.luebeckermaertyrer.de versammelt Porträts der vier Geistlichen, ihre Abschiedsbriefe, eine Dokumentation der Seligsprechung, Texte, Predigten, Gedenkorte und Termine. Letzte Veröffentlichung: Peter Voswinckel, Geführte Wege, Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild, Hamburg 3. Aufl. 2011. Eine DVD „Widerstehen im Geiste Christi“ des Berliner Filmemachers Jürgen Hobrecht ist zu beziehen über die Polis-Film, Jürgen Hobrecht, Wörtherstr. 13, 10405 Berlin, Tel. 030 / 48 49 63 46, E-Mail polisfilm(bei)polis-film.de oder Fax 030 / 48 49 63 47. Preis: 12 € plus 3 € Versand. Mehr auch auf Facebook: http://www.facebook.com/luebeckermaertyrer, zur Unitas Ruhrania: www.unitas-ruhrania.org, zum Unitas-Verband: www.unitas.org.

Unser Gesprächspartner: Rechtsanwalt Dr. Jürgen Becker aus Bocholt, Jg. 1927, erwirkte, dass die Verurteilten vor ihrer Seligsprechung offiziell rehabilitiert wurden. 

Montag, 09.11.2015