Paris: Notre Dame ist Raub der Flammen

von Christof Beckmann

Dienstag, 16.04.2019

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Paris unter Schock. Notre-Dame brennt, unermessliche Schäden. Viele Stunden kämpfen 400 Feuerwehrleute um Frankreichs Wahrzeichen. Zwischenzeitlich drohte sogar ein Komplettverlust. Die Grande Nation ist im Herzen getroffen. Wir haben vor Ort nachgefragt

Einsturz von Notre-Dame wohl abgewendet - Pariser Wahrzeichen brennt weiter - Feuerwehr kämpft verzweifelt, 15.4.2018, 23:33
Von Alexander Brüggemann (KNA)

Paris unter Schock. Notre-Dame brennt, die Schäden unermesslich. Seit Stunden kämpfen 400 Feuerwehrleute um Frankreichs Wahrzeichen. Zwischenzeitlich drohte sogar ein Komplettverlust. Die Grande Nation ist im Herzen getroffen.

Paris/Bonn (KNA) Schock und Entsetzen in Paris. Aus dem Hauptschiff der weltberühmten Kathedrale schlagen am Montagabend Flammen und meterhohe Rauchwolken. Bald brennt der gesamte Dachbereich. Der Himmel über der Seine färbt sich glutrot. Der 96 Meter hohe hölzerne Vierungsturm aus dem 13. Jahrhundert brennt aus und stürzt ein.
Gegen neun Uhr abends schien das Großfeuer zunächst leidlich eingegrenzt. Doch der Feuerschein trog. Wenige Minuten später hieß es, auch der Nordturm der Fassade habe Feuer gefangen. Auch wenn sich dies lange nicht bestätigte: Die Live-Bilder blieben dramatisch. 400 Einsatzkräfte kämpften wie die Löwen. Rund um Chorgestühl und Hauptaltar, das liturgische Herz der Kathedrale, brannte es weiter lichterloh. Nichts dort wird zu retten sein.
Die Einsatzleitung der Feuerwehr konnte über Stunden keine Entwarnung geben. Bis Mitternacht werde sich das Schicksal der Kathedrale entscheiden, hieß es. Man könne nicht garantieren, ob die Kirche als Ganze zu retten sei. Doch was bedeutete das: kontrolliertes Ausbrennen? Komplettverlust bis auf verkohlte Außenmauern?
Experten erläuterten: Im Herzen des Brandes herrschten Temperaturen bis zu 1.000 Grad. Das setze dem Mauerwerk extrem zu. Wenn es nicht gelinge, zeitig nah genug an das Zentrum heranzukommen, müsse man das Gebäude womöglich aufgeben, um nicht das Leben der Rettungskräfte durch Einsturzgefahr aufs Spiel zu setzen.
Gegen elf Uhr dann die entscheidende Nachricht des Einsatzleiters: Der Einsturz sei abgewendet, die Türme des Westwerks gerettet. Man sei optimistisch, die Kirche halten zu können. Allerdings seien zwei Drittel des Dachstuhls rettungslos verloren. Für seine Leute beginne nun die gefährlichste Mission: sich dem Brandherd von hinten zu nähern, um möglichst viel aus dieser Stadtkammer Frankreichs zu retten. Und tatsächlich wurde schon bald ein erster Feuerwehrmann schwer verletzt, getroffen von einem Regen geschmolzenen Bleis von den Dächern.
Die Brandursache war zunächst unklar. Am wahrscheinlichsten hängt sie mit den aufwändigen Renovierungsarbeiten zusammen, die am Dachstuhl im Gange waren. Die Arbeiter waren jedoch bereits im Feierabend, als das Feuer gegen 18.50 Uhr entdeckt wurde. Die Kathedrale wurde zurzeit für rund 60 Millionen Euro aufwändig renoviert. Große Teile sind eingerüstet. Wichtige Gemälde, Kunstgegenstände und Reliquien konnten offenbar gerettet werden, darunter auch die traditionell verehrte Dornenkrone Jesu.
Staatspräsident Emmanuel Macron eilte an den Unglücksort. Auf Twitter schrieb er, seine Gedanken seien bei allen Katholiken und bei allen Franzosen. «Wie alle unsere Landsleute bin ich heute Abend traurig, diesen Teil von uns brennen zu sehen.» Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach auf Twitter von einem «entsetzlichen Feuer». Vize-Bürgermeister Emmanuel Gregoire, forderte die Pariser auf, das Gebiet freizuhalten und die Rettungskräfte ihre Arbeit machen zu lassen.
Die frühgotische Kathedrale Notre-Dame gehört zu den Wahrzeichen von Paris und zum Weltkulturerbe der Unesco. Vielen gilt sie als Inbegriff von Frankreichs Kathedralen. Sie wurde zwischen 1163 und 1345 erbaut; 2013 wurde der 850. Jahrestag der Grundsteinlegung gefeiert. Victor Hugos Roman «Der Glöckner von Notre Dame» (1831) machte das nach der Französischen Revolution verfallende Gotteshaus zum Gegenstand romantischer Verklärung. Jährlich wird Notre-Dame von 12 bis 14 Millionen Menschen besucht.
Zuletzt wurde angekündigt, Notre-Dame werde bis 2027 für 60 Millionen Euro renoviert. Statuen, Wände und Stützbögen hatten über die Jahrhunderte stark gelitten; die Pfeilerstruktur wies Rostschäden auf. Für die Pariser Feuerwehr werden es eine lange Nacht und lange Tage werden. Danach schlägt dann wieder die Stunde der Restauratoren - nun in noch viel größerem Maßstab.
Immer wieder brechen bei Restaurierungsarbeiten schwere Brände aus, so etwa 2004 bei der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Von möglicher Brandstiftung sprach am Abend niemand. Dabei ist das Symbol Notre-Dame in der jüngeren Vergangenheit wiederholt auch Ziel symbolträchtiger Übergriffe geworden. So gab es nicht nur mehrere Terrorwarnungen und Alarm durch Drohnenüberflüge. Gläubige klagten über Kopfschmerz und Schwindel, sodass eine Vergiftung des Weihwassers in Erwägung gezogen wurde.
Und im Mai 2013 erschoss sich der rechtsextreme Theoretiker und Waffenkundler Dominique Venner demonstrativ vor dem Hauptaltar von Notre-Dame. In seinem Blog schrieb er noch: «Wir treten in eine Zeit ein, in der Worte durch Taten bekräftigt werden müssen», um «die Bewusstlosen aufzuwecken». - Noch sind die Brandursachen nicht erforscht. Am Abend deutete zunächst vieles auf einen Handwerksfehler hin.

 

Update 16. April 2019

Glocken läuten in Europa
Um 12:00 läuten als Zeichen der Verbundenheit mit Notre-Dame die Glocken vom Dom in Köln, dem Dom in Aachen, in Hamburg, Berlin, Regensburg, europaweit z.B. in Basel, Straßburg, Wien, Bern, Merseburg, Naumburg, Riga, Linz, Passau, Magdeburg, Schwäbisch Gmünd und Hildesheim. 

 
Feuer in Notre-Dame vollständig gelöscht
Paris (KNA) Der Brand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ist inzwischen vollständig gelöscht worden. Das teilte die Feuerwehr der französischen Hauptstadt am Dienstagmorgen mit. Nun werde mit der Begutachtung der Schäden begonnen. Die Einsatzkräfte hätten die ganze Nacht über gekämpft, um ein Wiederaufflammen des Brandes zu verhindern. Zudem sei die Stabilität der Gebäudestruktur überwacht worden.
Das «heftige Feuer» habe sich am Montagabend rasch auf 1.000 Quadratmetern über das gesamte Dach ausgebreitet. Den Angaben der Feuerwehr zufolge trugen drei Menschen leichte Verletzungen davon, darunter ein Polizist und ein Feuerwehrmann.
Die Grundsubstanz der Kirche sowie die Fassade mit den beiden Haupttürmen wurde offenbar gerettet. Ebenso unversehrt blieben anscheinend wichtige Gemälde, Kunstgegenstände und Reliquien, darunter auch die traditionell verehrte Dornenkrone Jesu.

 

Notre-Dame de Paris
Paris (KNA) Die frühgotische Pariser Bischofskirche Notre-Dame ist ein Wahrzeichen von Paris. Vielen gilt sie als Inbegriff von Frankreichs Kathedralen. Sie liegt exponiert auf der Seine-Insel Ile de la Cite im historischen Zentrum und wird pro Jahr von rund 12 bis 14 Millionen Menschen besucht.
Das monumentale Kircheninnere mit fünf Schiffen ist 130 Meter lang und 35 Meter hoch. Die beiden Türme der Fassade erreichen 69 Meter Höhe. Der Nachfolgebau früherer Bischofskirchen wurde 1163 begonnen. Bereits 1182 war der Chor fertiggestellt, danach folgten das Hauptschiff sowie die Westfassade (1225) und die Türme (1250).
Wie so viele Kirchen in Frankreich erfuhr die Kathedrale der Hauptstadt während der Revolution tiefe Demütigung. Zunächst als revolutionärer «Tempel des Höchsten Wesens», entweiht, wurde sie später zum Weinlager. Erst Napoleon ordnete 1802 wieder eine Nutzung für den Gottesdienst an und krönte sich hier im Dezember 1804 in Anwesenheit von Papst Pius VII. selbst zum Französischen Kaiser. Victor Hugos Roman «Der Glöckner von Notre Dame» (1831) machte das verfallende Gotteshaus zum Gegenstand romantischer Verklärung.
Neben der herausragenden kunsthistorischen Bedeutung des Gesamtbauwerks verdienen die berühmten Chimären-Figuren auf der oberen Galerie sowie die bedeutenden Figurenportale Beachtung. Letztere, auch die überlebensgroßen Königsstatuen am Mittelportal, sind allerdings Neuschöpfungen, da die Originale während der Revolution zerschlagen wurden.
Wie der Name Notre-Dame (Unsere Liebe Frau) sagt, ist die Kathedrale der Gottesmutter Maria geweiht. 2006 wurde der Vorplatz (parvis) gegen politischen Widerstand nach Papst Johannes Paul II. (1978-2005) benannt.
Zuletzt wurde angekündigt, Notre-Dame werde bis 2027 für 60 Millionen Euro renoviert. Statuen, Wände und Stützbögen haben stark gelitten; die Pfeilerstruktur weist Rostschäden auf. Zwei Drittel der Renovierungskosten übernehme der Staat, hieß es; ein Drittel der Summe müsse die Kirche selbst tragen. Von Touristen für die Besichtigung der Kirche Eintritt zu verlangen, sieht die Kirche jedoch nicht als Option.

Dienstag, 16.04.2019