Frauen machen Zukunft

von Christof Beckmann

Donnerstag, 30.03.2023

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Taratra Rakotomamonjy, Generaldirektorin von VOZAMA, Fotos: www.vozama.org

So etwas wie „feministische Außenpolitik“ findet sie gut: Taratra Rakotomamonjy, Geschäftsführerin einer NGO in Madagaskar, hat in den letzten 25 Jahren fast 700 Schulen aus dem Boden gestampft. Und setzt auf Frauen ...

INFO: Madagaskar ist das Partnerland der Misereor-Fastenaktion 2023: Am 5. Fastensonntag, 26. März, waren die Kollekten in den Kirchen für die Arbeit des größten kirchlichen Hilfswerks bestimmt. Es stellte seine Aktion unter das Leitwort „Frau.Macht.Veränderung“. Was das in der Praxis bedeutet, haben in den vergangenen Wochen Gesprächspartnerinnen aus dem Beispielland in zahlreichen Bistümern und Gemeinden vorgestellt. Eine von ihnen war Taratra Rakotomamonjy, Generaldirektorin und Geschäftsführerin von VOZAMA, einer Organisation, die seit 1995 mit kirchlicher Unterstützung in den entlegenen Dörfern des zentralen Hochlandes der Insel knapp 700 Vorschulen aufgebaut hat. Dadurch erhielten inzwischen weit mehr als 40.000 Kinder auf Madagaskar einen Zugang zu Alphabetisierung und Bildung, zudem verbessern Wiederaufforstung und Gesundheitsversorgung in den Dörfern die Lebenssituation und stärken vor allem Frauen als wichtige Akteurinnen des gesellschaftlichen Wandels. Der Prozess integriert viele Aspekte des Lebens und motiviert die Menschen, die Zukunft der Kinder und des Landes nachhaltig und gemeinsam aufzubauen. Material zum Download unter: https://mediapool.misereor.de/madagaskar-dorfschulen.

VOZAMA. Dörfer machen Schule: Madagaskar (18 Volksgruppen, Sprachen: Madagassisch und Französisch, Index der menschlichen Entwicklung: Rang 173 von 191) gehört zu den ärmsten Ländern der Welt (mehr: https://hdr.undp.org/data-center/specific-country-data#/countries/MDG). 90 Prozent aller Madagassen leben unterhalb der Armutsgrenze, die Bevölkerung von 28 Millionen Menschen besteht zur Hälfte aus Kindern - allein vier Millionen im Grundschulalter. Die Bildungssituation in dem Inselstaat ist katastrophal: Wegen des mangelhaften Bildungssystems in Madagaskar sind 35 Prozent der Einwohner über 15 Jahren Analphabeten. Trotz Schulpflicht brechen drei von fünf Kindern die Grundschule vorzeitig ab, viele können nicht zur Schule gehen, weil der Weg für die jüngeren Kinder zu weit und zu gefährlich ist. Besonders benachteiligt sind Mädchen: Eltern nehmen sie oft schon früh von der Schule und verheiraten sie teilweise bereits im Kindesalter. Um zur Schule zu gelangen, müssen viele Kinder kilometerlange Schulwege zurücklegen.

Doch es geht auch anders: 12.000 Vorschüler aktuell, ein Netz von 674 Buschschulen, 456 Dörfer, die neu durchstarten - seit 25 Jahren bringt der MISEREOR-Partner VOZAMA Schulbildung in entlegene Dörfer - mit eindrucksvoller Bilanz. 1995 begann der des 2005 verstorbene Jesuitenpater André Boltz, in einigen Dörfern auf dem dünn besiedelten Hochland des südlichen Zentralmadagaskar ein Alphabetisierungsprogramm für nicht eingeschulte Kinder aus armen Familienverhältnissen einzurichten. Er gab dem Programm den Namen „VOZAMA“, der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Wörter des Satzes „Rettet die Kinder Madagaskars“ in der Landessprache zusammen. Verantwortlicher Leiter der NGO ist heute der Schulbruder Claude Fritz, der ebenfalls aus dem Elsass stammt, Geschäftsführerin ist Taratra Rakotomamonjy, Master in Sozialwissenschaften und Master in Informationswissenschaften. Dank VOZAMA haben inzwischen weit mehr als 45.000 Kinder Lesen und Schreiben gelernt und den Übergang in die zweite Klasse der Grundschule geschafft.

Projektziel und Umsetzung: Mit einem umfassenden Bildungskonzept will VOZAMA die komplexen Ursachen von Armut auf Madagaskar bekämpfen. In den Dorfschulen erhalten viele Kinder im Vorschulalter einen Zugang zu Alphabetisierung und Bildung, lernen an vier Tagen in der Woche für je drei Stunden Lesen, Schreiben und Rechnen, werden so in einem zweijährigen Programm auf die oft weit entfernten Grundschulen vorbereitet. Mit der Einschulung erhält jedes Kind eine Tafel, Kreide und ein Schulheft, auch Hygieneerziehung und Umweltschutz stehen auf dem Lehrplan. VOZAMA sorgt für das Unterrichtsmaterial, bildet Lehrkräfte aus und stellt sie an. Die 573 Lehrkräfte sind zum überwiegenden Teil (89 Prozent) Frauen, die für ihre Arbeit eine Aufwandsentschädigung von ca. 15 Euro im Monat erhalten. VOZAMA bildet sie für ihre Aufgabe aus und organisiert monatliche Fortbildungen. Wenn die Schüler*innen der VOZAMA-Dorfschulen im Anschluss eine staatliche oder kirchliche Schule besuchen, sind sie auf demselben Wissensstand und können mit Gleichaltrigen in eine höhere Klasse gehen.

Auch das Umfeld wird in die Bildungsarbeit integriert: Voraussetzung für die Gründung einer Dorfschule ist die Bereitschaft der Eltern, sich zu engagieren. Sie stellen zum Beispiel die Räumlichkeiten, in denen der Unterricht stattfindet – ehemalige Wohnhäuser, Lagerräume oder Ställe. Auch die Schulmöbel werden in Eigenleistung gebaut. Anders als im staatlichen Bildungssystem zahlen die Eltern nur eine monatliche Schulgebühr von ein paar Cent, die auch in Reis oder Brennholz beglichen werden kann. Darüber hinaus eröffnet VOZAMA durch Fortbildungen für die Eltern und Initiativen zu Umweltschutz, Aufforstung und ökologisch verträglicher Landwirtschaft den Familien der Kinder und ihren Dörfern Chancen für eine umfassende Entwicklung. Höhepunkt jedes Schuljahrs ist eine Baumpflanzaktion, bei der jeder Schüler einen Setzling aus der VOZAMA-Baumschule pflanzt: In dem Land, das unter enormer Abholzung und damit verbundenen Umweltprobleme leidet, werden so jedes Jahr rund 12.000 Bäume gepflanzt. Die Dorfkomitees errichten Getreidespeicher, bauen auf Gemeinschaftsfeldern Bohnen, Erdnüsse oder Süßkartoffeln an oder haben mit Fischzucht begonnen. Dadurch wird auch das Nahrungsmittelangebot gerade in der kritischen Zeit vor der nächsten Ernte verbessert. So werden Menschen motiviert, die Zukunft der Kinder und des Landes gemeinsam aufzubauen. Alle packen mit an: Lehrerinnen werden zu Motoren der Entwicklung in ihren Dörfern, Kinder in weit verstreuten Gebieten gehen zur Schule, Frauen lernen ihre Rechte kennen, erhalten Zugang zu grundlegendem Wissen, Wiederaufforstung und Gesundheitsversorgung verbessern in den Dörfern die Lebenssituation. Die Erfahrung von VOZAMA ist: „Ein Dorf macht Schule, aber die Schule macht das Dorf.“

ADRESSE: ONG Vozama, Mahamanina BP1267, 301 Fianarantsoa, Département communication et partenariats, Tel. +261 34 20 522 53, E-Mail: vozama.contact@gmail.com, Fotos: https://www.vozama.org.

 

Misereor - weltgrößtes katholisches Entwicklungshilfswerk: Misereor mit Sitz in Aachen wurde 1958 von den deutschen katholischen Bischöfen auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet, um „den Mächtigen der Erde, den Reichen und Regierenden vom Evangelium her ins Gewissen zu reden“. Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort „Misereor super turbam / Ich erbarme mich des Volkes“. Erste Anregungen für eine regelmäßige Kollekte für Entwicklungsprojekte kamen zuvor von katholischen Laienorganisationen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Ziel der mit Partnern in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika geleisteten Arbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe, für Gerechtigkeit und Bildung, gegen Hunger, Krankheit, Ausgrenzung und Menschenrechtsverletzungen sowie deren Ursachen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützt das Hilfswerk Menschen unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Kultur und ihrer Hautfarbe. Seit seiner Gründung wurden so laut eigenen Angaben über 113.000 Projekte mit weit mehr als 7 Milliarden Euro unterstützt, jedes Jahr steht ein anderes Thema und ein anders Land im Fokus der Fastenaktion. Derzeit arbeitet Misereor mit 1.900 Partnerorganisationen in 3.000 laufenden Projekten in gut 90 Ländern zusammen. MISEREOR ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft: www.entwicklung-hilft.de.

MISEREOR-Spendenkonto: Spendenkonto 10 10 10, Pax Bank Aachen, BLZ 370 601 93, IBAN DE75 3706 0193 0000 1010 10, BIC GENODED1PAX. MISEREOR im Netz: www.misereor.de, MISEREOR-Blog: https://blog.misereor.de/, Twitter: www.twitter.com/misereor, Facebook: www.facebook.com/misereor, Instagram: www.instagram.com/misereor. Hilft: www.entwicklung-hilft.de. Themendossier Welthandel, Themendossier Unternehmensverantwortung, Dossier Klimawandel.

Kontakt: Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Mozartstraße 9, 52064 Aachen. Tel. 0241 / 442-0, Fax: 0241 / 442-188, E-Mail: info(at)misereor.de, Internet: www.misereor.de.

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