Narrenorgel: Schräge Pfeifen

von Christof Beckmann

Dienstag, 05.03.2019

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Auch im deutschen Südwesten wird gefeiert: Zur schwäbisch-alemannischen Fasnet – immerhin Weltkulturerbe – kann es offensichtlich nicht verrückt genug sein. So klingt dann auch die weltweit erste Narrenorgel...

INFO: Auch im deutschen Südwestdeutschen hat die „Fasnet“ ihren Höhepunkt erreicht:. Die Narretei wird mancherorts sogar in der Kirche betrieben, zum Beispiel in Weil der Stadt im Würmtal, einer Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fasnet, rund 30 Kilometer von Stuttgart im Landkreis Böblingen. Die Musik kommt dort nicht nur von der Kirchenorgel, sondern auch von der weltweit ersten Narrenorgel, die der katholische Pfarrer Anton Gruber spielt. Rechts und links sitzen zwei Hexenfiguren auf dem Wägelchen, der etwas kleiner als ein Leierkasten ist. Und sonderbare Pfeifen, die komische Töne von sich geben und so gar nicht die Form klassischer Orgelpfeifen haben, hat das am 20.1.2018 in der Stadtkirche St. Peter und Paul eingeweihte Instrument auch.

Initiatoren waren der Weil der Städter Kabarettist, Musiklehrer und Organist Michael Heil und Stadtpfarrer Anton Gruber, die 2011 die Weil der Städter Narrenorgelakademie gründeten, gebaut wurde die Orgel von der Orgelmanufactur Vleugels aus Hardheim. Sie bringt nicht nur komische Töne hervor, sondern kann auch ganz normal bespielt werden. Mitfinanziert wurde das Instrument von der örtlichen Narrenzunft AHA, die auch ein eigenes Narrenmuseum betreibt, von der Stiftung der Volksbank Weil der Stadt, der Stadt, Künstlern und der Kolpingsfamilie Merklingen.

Karneval & Fasnet: Die meist in ursprünglich katholischen Gebieten veranstalteten „närrischen Tage“ vor der am Aschermittwoch beginnenden Fastenzeit heißen im Rheinland Karneval, in Mainz und Umgebung Fastnacht, im schwäbisch-alemannischen Gebiet Fasnet und im bayrisch-österreichischen Raum Fasching. „Domenica ante carnes tollendas“ nannte die Kirche früher den „Sonntag vor der Fleischenthaltung“, das Wort „Fastnacht“ ist seit dem 12. Jahrhundert im Mittelhochdeutschen bekannt. Das Wort Karneval stammt wahrscheinlich vom Italienischen „carne vale“ („Fleisch, lebe wohl“). Vermutlich haben die Feiern neben christlichen Bezügen auch Wurzeln in germanischen und römischen Frühlingsfesten und Fruchtbarkeitskulten.
Seit dem 13. und 14. Jahrhundert gehören Gastmähler, Trinkgelage, Reiter- und Tanzspiele zu den Bräuchen der so genannten Fünften Jahreszeit, in der die bestehende Ordnung außer Kraft gesetzt und im Narrengewand verspottet wird. Die Geistlichkeit billigte den Wunsch der Laien nach „leiblichen Genüssen“ vor der harten Fastenzeit und unterstützte die Entfaltung des Festes. Papst Sixtus IV. (1471-1484) ließ gar die Gehälter der Universitäts-Lektoren mit drei Prozent besteuern, um Karnevalsfeiern zu finanzieren. Anders die Reformatoren: Sie hatten das vorösterliche Fasten abgeschafft und wollten das vorangehende „äußerst unfromme Spektakel“ nicht dulden, wie Martin Luther es bezeichnete.
Höhepunkte der närrischen Zeit („Session“), die offiziell am 11. November begonnen hat und bis Aschermittwoch dauert, sind Weiberfastnacht am Donnerstag vor Aschermittwoch, der Karnevalssamstag und -sonntag, der Rosenmontag mit seinen farbenprächtigen Umzügen und der Veilchendienstag. Der Termin des Aschermittwochs ist ein variabler Termin, der sich von Ostern her errechnet. Ihm geht im christlichen Festkalender die österliche Fastenzeit (Quadragesima) voran, deren Länge 40 Tagen auf das Fasten Jesu in der Wüste (Mt 4, 2) und weitere Termine aus dem Alten Testament zurückgeht. Seit Ende des 11. Jahrhunderts werden die Katholiken in den Gottesdiensten am Aschermittwoch mit einem Aschenkreuz bezeichnet, das als äußeres Zeichen für Trauer und Buße.  

 

Dienstag, 05.03.2019