St. Martin in Bonn

von Johanna Risse

Donnerstag, 08.11.2018

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Bild: Montage KiP-NRW

Am 12. November steht mit dem Martinszug durch die Bonner Innenstadt einer der größten Martinsumzüge im Rheinland an. Erwartet werden rund 1.500 Kinder und doppelt so viele Zuschauer. Aber auch in dieser Woche ist Sankt Martin schon unterwegs.

INFO: Die heutigen Martinsumzüge gibt es seit 1823: Hier ist der erste in Düsseldorf überliefert. Die Verehrung des Heiligen an einem wichtigen Zins- und Pachttermin, an dem auch Anstellungsverhältnisse endeten oder begannen, ist jedoch sehr viel älter. Sie entstand schon früh nach seinem Tod und verbreitete sich vor allem schnell im fränkischen Herrschaftsbereich. Martin, benannt nach dem römischen Kriegsgott Mars und wahrscheinlich um 316/17 in Sabaria, dem heute ungarischen Szombathely (Steinamanger) geboren, war Soldat, Priester, Einsiedler und Bischof. Er trat als 15-Jähriger in Pavia in die römische Armee ein und gehörte zu einer in Gallien eingesetzten Eliteeinheit. Der Legende nach spielte sich 334 in Amiens jene Szene ab, die alljährlich bei den Martinszügen eine Rolle spielt: In einem strengen Winter begegnete er einem armen, unbekleideten Bettler, der um Hilfe bat. Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel und gab dem Frierenden eine Hälfte. In der Nacht sah er im Traum Christus bekleidet mit dem Mantelstück und Martin ließ sich taufen. Er wurde Priester, zog sich als Einsiedler zurück, gründete 361 mit dem Kloster Ligugé das erste Kloster im westlichen Abendland und wurde 371 vom Volk zum Bischof von Tours ausgerufen. Damit verbunden ist die Erzählung, dass Martin sich in einem Gänsestall versteckte, um so diesem Amt zu entgehen. Doch das Geschnatter des Federviehs – so die Legende  - verriet ihn.

Martin, der 397 starb, hinterließ nachhaltigen Eindruck: Frankenkönig Chlodwig machte ihn gut 100 Jahre nach dessen Tod zum „Nationalheiligen“ des Reiches. Martin ist der erste Heilige der Kirche überhaupt, der kein Märtyrer ist. Er ist Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlandes in Österreich, Patron der Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart sowie tausendfacher Namensgeber für Kirchen und Klöster weltweit. Katholiken verehren ihn ebenso wie Protestanten, Orthodoxe, Anglikaner und armenische Christen. Sein Gedenktag, der Martinstag am 11. November, galt früher als Winteranfang und Tag der Zins- und Pachtzahlungen. Zu den fälligen Naturalabgaben gehörte auch die Martinsgans als Höhepunkt eines üppigen Festtagsessens. In Gallien und auch in den Klöstern begann früher mit dem Martinstag die Adventszeit, die damals sechs Wochen dauerte und als Bußzeit mit dem Verzicht auf Fleischspeisen verbunden war. Somit bot sich der Vorabend des Martinstages an, noch einmal richtig zuzulangen und zu feiern: den 11.11. als Karnevalsbeginn, an dem heutzutage „Prinz Karneval“ proklamiert wird.

Martinsbrauchtum: Martinszüge mit Pferd und Laternen, Verteilung von Süßigkeiten und Gänsebraten sind in vielen Regionen Deutschlands bis heute verbreitet: Wenige Tage vor dem Martinsfest am 11. November wurde nun das Brauchtum um den Heiligen immaterielles Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen.

Für die Aufnahme der Martinstradition hatten sich der Niederrheiner Jeya Caniceus aus Kempen und Rene Bongartz aus Brüggen stark gemacht und dafür Unterstützung von Martinsvereinen erhalten. Die nach dem heiligen Martin von Tours benannten Umzüge rund um den 11. November erinnern an die Legende, nach der Martin seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Dazu gibt es alle Informationen auf der Internetseite: http://www.martinstradition.de.

St. Martin in Bonn: Mehr als 50 Martinszüge ziehen heute noch durch die Bundesstadt und an St. Martin wird in Bonn an vielen Stellen erinnert: So trägt das Bonner Münster seit 1812 den Namen des Heiligen. Wo bis zu diesem Zeitpunkt die bereits auf das 8. Jahrhundert datierte alte Martinskirche stand, zeigen sechs Bronzereliefs des Künstlers Ernemann Sander (1981/82) Szenen aus dem Leben des Kirchenpatrons – darunter die Mantelteilung, die Wahl und Einsetzung zum Bischof von Tours und die Verhandlungen vor dem Kaiser in Trier gegen ein Todesurteil. Auch der 1902 errichtete Martinsbrunnen des Künstlers Heinrich Götschmann vor dem Westportal des Bonner Münsters erinnert an den Heiligen und zeigt die Tradition von Martins-Umzügen mit Laternen, Fackeln, Musik und Gänsen.

Seit Montag, 5. November besucht der Heilige Martin Kindertagesstätten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und andere Einrichtungen in der Bonner City. Rund 3000 Weckmänner werden die Martinsdarsteller Martin Heide und Felix Holtkamp in dieser Zeit verteilen. Sonntag, 11. November, ist der Festtag des Heiligen Martin und Patronatsfest der Bonner Martinsgemeinden. Es wird begangen um 12 Uhr mit der Heiligen Messe in Sankt Remigius und um 18.30 Uhr in der Schlosskirche. Am Montag, 12. November, ist ihm um 12.15 Uhr das Mittagsgebet gewidmet, um 17.15 zieht der Große Martinszug durch die Bonner City - einer der größten Umzüge im ganzen Rheinland und diesmal unter dem Motto „Licht sein - wie Sankt Martin“. Die Organisatoren rechnen mit mehr als 1500 teilnehmenden Kindern aus neun Kindertagesstätten und Schulen und voraussichtlich doppelt so viele Zuschauer, die die Szene der Mantelteilung am Sterntor erleben. Zum Ende des Zuges zeiht sich der Heilige Martin nicht nur als Soldat, sondern auch als Bischof. Mit einem großen Ehrenamtsfest wird sich die Citypastoral bei allen Beteiligten Helfern, Einsatz- und Rettungskräften bedanken, wozu auch Oberbürgermeister Ashok Alexander Sridharan erwartet wird. Kontakt: Bonner Münster - Katholische Citypastoral Bonn, Sebastian Stiewe, Gangolfstraße 14, 53111 Bonn, Tel. 0228 / 98588-60, E-Mail: martinszug@bonner-muenster.de. Alle Informationen zum Martinsfest, Aktionen, Spendenmöglichkeiten und Materialien unter www.martinszug-bonn.de.

Europäischer Martinsweg: Europäische Martinswege gehen inzwischen durch Frankreich, Ungarn, Italien, England, Kroatien und Slowenien. Denn seit einigen Jahren entsteht auf Initiative des Europarats ein europäisches Netz von Pilgerwegen, die ähnlich wie die Jakobswege nach Santiago de Compostela in Nordspanien durch ganz Europa führen, an den populären Heiligen der Mantelteilung erinnern wollen und seinen Geburtsort im heute ungarischen Szombathely (Steinamanger) mit dem französischen Tours verbinden. Die Hauptroute der „Via sancti Martini“ verläuft von Ungarn aus nach Slowenien, über Venedig nach Mailand, durchs Aosta-Tal und überquert beim Kleinen Sankt Bernhard die Alpen Richtung Lyon und endet der Weg in Tours. Die Route berührt damit eine Reihe von Orten, an denen Martin laut historisch gut gesicherten Erkenntnissen auch gewesen ist. Ein zweiter Weg durch Österreich, Deutschland, Luxemburg und Frankreich wird Mittelroute genannt. Für die Strecke durch die Bistümer Freiburg, Speyer, Mainz und Trier wurde im November 2016 wird das letzte durch Deutschland führende Teilstück zwischen Trier und Luxemburg eröffnet. Hinzu kommen zwei weitere Routen: Die eine führt in Süd-Nord-Richtung vom spanischen Saragossa durch die Pyrenäen nach Tours, die andere verbindet als Nord-Süd-Tour das niederländische Utrecht mit der Stadt an der Loire. Erkennbar sind alle Wege an bordeauxroten Tafeln mit einem gelben Kreuz und dem Signet des Europarates. Das Wegenetz umfasst rund 2.500 Kilometer. Infos: www.saintmartindetours.eu, www.martinuswege.eu, http://culture-routes.net/routes/the-saint-martin-of-tours-route, http://www.vianovis.net/martinusweg/datagis/pdf/karte-via-sancti-martini-21-mars-2015.pdf

BUCHHINWEIS: Judith Rosen, Martin von Tours. Der barmherzige Heilige, Verlag Philipp von Zabern – WBG, 2016, 280 Seiten, Preis: 29,95 Euro, ISBN: 9783805350242. Pünktlich zum 1700. Geburtstag im Jahr 2016 hat die Bonner Autorin Judith Rosen ein auf breiter Quellenbasis beruhendes, anschauliches Portrait dieser zentralen Figur des spätantiken Christentums und seiner Zeit gezeichnet. Die Lehrbeauftragte für Alte Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn legte im Verlag Philipp von Zabern eine 280 Seiten starke Biographie vor, die am Beispiel von Martins Leben den Aufbruch der Kirche in Gallien und die Spannungen zwischen Kirche und Staat fundiert und gut verständlich schildert. Dazu hat sie die Vita Martini, drei Briefe und drei Dialoge von Sulpicius Severus, dem Zeitgenossen und Bewunderer des dritten Bischofs von Tours, herangezogen. Judith Rosen stellt sie in die geschichtlichen Zusammenhänge der Zeit und ordnet sie kritisch ein. Die mit zwölf Illustrationen, zwei Karten und einem Register ausgestattete Arbeit machen das Buch – nicht nur für Spezialisten – sehr lesenswert.

Donnerstag, 08.11.2018