Vor 75 Jahren: Lübecker Märtyrer

von Christof Beckmann

Mittwoch, 07.11.2018

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Motiv: „Lübecker Märtyrer“, Erzbistum Hamburg

Vor 75 Jahren, am 10.11.1943, wurden vier Geistliche hingerichtet: Die „Lübecker Märtyrer“, die in Münster studiert hatten, stehen für eine Ökumene des Widerstandes im Nationalsozialismus. Ihr Eintreten für Menschenrechte ist bis heute nicht vergessen...

INFO: Am 9.11. vor 100 Jahren wurde die Republik ausgerufen, am 11.11. vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg, fünf Jahre später, am 9.11.1923, scheiterte der Hitler-Putsch, am 9.11. vor 80 Jahren durchlitten die deutschen Juden die „Reichspogromnacht“. Und es gibt einen weiteren Gedenktag, der in der katholischen Kirche jedes Jahr auf dem 10. November liegt – es ist der Todestag der vier „Lübecker Märtyrer. An sie erinnert seit dem 11. Oktober eine Briefmarke, die der Berliner Grafiker Christoper Jung gestaltet hat. Sie erscheint mit einem Nennwert von 70 Cent und wurde am 4. Oktober im Lübecker Rathaus der Öffentlichkeit präsentiert.

Anlass ist das 75. Todesjahr der vier Geistlichen, die am 10.11.1943 im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis mit dem Fallbeil hingerichtet wurden. Die katholischen Kapläne Hermann Lange, Eduard Müller und Johannes Prassek hatten sich mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink in ökumenischem Widerstand gegen das NS-Regime zusammengeschlossen. „Die Lübecker Geistlichen widersetzten sich dem totalitären Anspruch der nationalsozialistischen Machthaber“, so das Bundesfinanzministerium in seinen Erläuterungen zur Marke: „Sie erkannten immer klarer den unauflösbaren Widerspruch zwischen dem christlichen Glauben und der rassistischen, atheistischen Ideologie der Nationalsozialisten. Je länger das Unrecht währte, desto verpflichtender wurde für sie das Gebot, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, die mit Terror regierten und einen Vernichtungskrieg begonnen hatten.“ Im Sommer 1943 wurden die vier Seelsorger durch einen eigens zusammengestellten Sondersenat des sogenannten „Volksgerichtshofs“ wegen „Wehrkraftzersetzung, Heimtücke, Feindbegünstigung und Abhören von Feindsendern“ zum Tode verurteilt.

Lübecker Märtyrer: Die ab 1939 an der Lübecker Hauptkirche Herz Jesu tätigen drei Kapläne Hermann Lange, Johannes Prassek, Eduard Müller und der evangelische Pastor Karl-Friedrich Stellbrink kamen durch gezielte Denunziationen ins Visier der Gestapo, wurden verhaftet und durchlitten eine lange und qualvolle Haftzeit im Lübecker Gefängnis am Burgtor, später in Hamburg.

Als herausragende Figur der Gruppe gilt der 1911 in einfachen Verhältnissen in Hamburg-Barmbek geborene Johannes Prassek. Er legte am Hamburger Johanneum 1931 das Abitur ab und ging zum Theologiestudium an die Jesuiten-Hochschule Sankt-Georgen in Frankfurt am Main. 1933 wechselte er nach Münster, 1935 ins Priesterseminar nach Osnabrück. Nach der Priesterweihe am 13. März 1937 im Dom zu Osnabrück und einer Vikarstelle im mecklenburgischen Wittenburg kam er 1939 an die Lübecker Pfarrei Herz-Jesu, wo er schnell einen guten Ruf als Prediger bekam. In Gesprächskreisen, insbesondere mit Soldaten, sprach er offen über den Nationalsozialismus, kirchenfeindliche Politik des Regimes, Krieg und Verhalten der Machthaber. Prassek lernte Polnisch für die verbotene Seelsorge an Zwangsarbeitern. Mit dem 17 Jahre älteren evangelischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink tauschte er ab Sommer 1941 Informationen über „feindliche“ Rundfunksender und verteilte Flugschriften – u.a. von Clemens August von Galen, Bischof von Münster. Ein Spitzel zeigte Prassek an, er kam am 18. Mai 1942 in das Marstall-Gefängnis des Burgkloster-Gebäudes und wartete mit Stellbrink und den ebenfalls verhafteten Kaplänen Hermann Lange und Eduard Müller über ein Jahr lang auf den Prozess, für den eine eigener Sonderkammer des sog. „Volksgerichtshofs“ zusammengestellt wurde. Aus seiner Gefangenschaft sind zahlreiche Briefe erhalten.

Schon lange vor Prozessbeginn stand ihr unter Ausschluss der Öffentlichkeit am 24. Juni 1943 gefälltes Todesurteil wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Rundfunkverbrechen, Zersetzung der Wehrkraft und landesverräterischer Feindbegünstigung“ fest. Hitler selbst hatte sich in den Prozess eingeschaltet und jedwede Rechtsmittel untersagt. Am Mittag des 10. Novembers erfuhren die Lübecker Märtyrer im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis von der Vollstreckung des Todesurteils um 18 Uhr. Interventionen und ein Gnadengesuch des Osnabrücker Bischofs Wilhelm Berning (1877–1955) beim Justizminister und beim Vizepräsidenten des Volksgerichtshofs waren erfolglos. Die vier Geistlichen starben im Abstand von vier Minuten durch das Fallbeil.

Das 2004 im Erzbistum Hamburg begonnene Seligsprechungsverfahren für die drei Kapläne Prassek, Müller und Lange wurde 2010 in Rom abgeschlossen, am 25. Juni 2011 wurden sie vor ihrem Wirkungsort, der katholischen Propsteikirche Herz Jesu in der Lübecker Altstadt, selig gesprochen, Pastor Stellbrink wurde dabei ehrenvoll erwähnt- Sie gelten in ihrem gemeinsamen Zeugnis für ihren Glauben als Beispiel wirklicher Ökumene.

Mehr: Die Internetseite www.luebeckermaertyrer.de versammelt Porträts der vier Geistlichen, ihre Abschiedsbriefe, eine Dokumentation der Seligsprechung, Texte, Predigten, Gedenkorte und Termine. Letzte Veröffentlichung: Peter Voswinckel, Geführte Wege, Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild, Hamburg 3. Aufl. 2011. Eine DVD „Widerstehen im Geiste Christi“ des Berliner Filmemachers Jürgen Hobrecht ist zu beziehen über die Polis-Film, Jürgen Hobrecht, Wörtherstr. 13, 10405 Berlin, Tel. 030 / 48 49 63 46, E-Mail polisfilm(bei)polis-film.de oder Fax 030 / 48 49 63 47. Preis: 12 € plus 3 € Versand. Mehr auch auf Facebook: http://www.facebook.com/luebeckermaertyrer.

Unser Gesprächspartner: Dr. Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg, geboren 1966 in Köln, studierte in Bonn und Regensburg Theologie, wurde von Erzbischof Meisner 1993 zum Priester geweiht und wechselte nach Kaplansjahren in Bergheim 1997 in die Ausbildung an das Bonner Theologenkonvikt. Seit 2003 war er in der Personalabteilung tätig, die er ab 2006 leitete. 2011 wurde er ins Domkapitel berufen und baute als Personalchef im Zuge des Missbrauchsskandals die Präventionsarbeit der Erzdiözese auf. Im März 2012 wurde Heße vom damaligen Kölner Kardinal Joachim Meisner zum Generalvikar ernannt, nach dessen Rücktritt im Februar 2014 vom Domkapitel zum Übergangsverwalter gewählt und startete in dieser Zeit eine Transparenzinitiative. Nach dem Limburger Finanzskandal legte er den Immobilienbesitz der Erzdiözese offen. 2015 wurde Heße zum dritten Erzbischof der 831 durch den Missionsbischof Ansgar errichteten und 1995 neu gegründeten Erzdiözese Hamburg berufen. Sie ist die jüngste und mit 32.654 Quadratkilometern flächenmäßig größte Diözese Deutschlands. Sie umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein und den Landesteil Mecklenburg. Patron des Bistums ist der Hl. Ansgar, 831 der erste Erzbischof, Sitz des Bischofs ist der St. Marien-Dom in Hamburg-St. Georg. 397.000 Katholiken bilden mit rund 7 Prozent eine Bevölkerungsminderheit – auch wenn sich die Zahl der Katholiken im Nordbistum wegen Zuzügen gegen den Bundestrend erhöht hat. Mehr im Internet unter www.erzbistum-hamburg.de

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